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Gordon

Gordon

Titel: Gordon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Templeton
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anzog. Wie ich nun auf einer Bank im Regent’s Park saß, streckte ich die Beine nach vorn aus und sagte: »Sehen Sie, ich habe sie seit Ewigkeiten nicht mehr angehabt. Ich habe sie erst jetzt wiederbekommen, und es ist Ihnen nicht einmal aufgefallen.«
    »O doch, durchaus«, sagte Gordon.
    »Ich bin so froh, dass ich sie wiederhabe«, sagte ich, »es ist ein Gefühl wie damals in Deutschland, als der junge Dent auf die Bassfiedel sprang und sie demolierte und als sie sie eine Woche später wieder heil herein trugen und sie aufs Musikpodium stellten. Dent spielte einen Wirbel auf der Trommel, und wir standen alle auf und riefen hurra.«
    »Warum mögen Sie Ihre roten Schuhe so sehr?«, fragte Gordon.
    »Weil sie so hübsch sind, so ungewöhnlich«, sagte ich, während ich sie mir noch immer ansah und dabei dachte, wie typisch für ihn das mal wieder war, und dass jeder andere Mann sich mittlerweile über meine hübschen Füße geäußert haben würde. »Ich habe sie schon immer heiß geliebt«, fügte ich hinzu, »weil sie so extravagant sind. Aber einmal hätte ich ihretwegen beinahe Ärger bekommen.«
    »Inwiefern?«, fragte Gordon. »Kommen Sie, laufen wir ein bisschen.«
    »Aber nur auf den richtigen Wegen«, sagte ich und stand auf. »Ich will sie mir nicht wieder verdrecken.«
    »Alles, was Sie möchten, mein armes Kind«, sagte er und bedachte mich mit seinem hungrigen Blick, als liege er auf der Lauer.
    Ich sagte herausfordernd: »Ich meine, durchs Gras gehe ich nicht. Es ist ganz durchweicht.«
    »So ist es«, sagte er, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Lassen Sie hören. Es gibt nichts Erheiternderes als anderer Leute Ärger.«
    Und während wir anfingen, uns vom Fluss zu entfernen, und in eine breite, gerade, lang gestreckte Allee einbogen, erzählte ich ihm, wie ich einmal mit mehreren anderen aus unserem Kasino, darunter dem jungen Captain Dent, ins Atlantic gegangen war.
    Das Atlantic war damals ein Hotel für hochrangige Offiziere auf der Durchreise, und es gab dort jeden Abend Tanz. Es war ein großes, vornehmes Hotel, von dem Architekten entworfen, der das Londoner Ritz gebaut hatte, und wies eine ausgeprägte Ähnlichkeit mit diesem auf. Anders als das Ritz jedoch hatte es, dank seinem gegenwärtigen Verwendungszweck, einen etwas anrüchigen Ruf erworben, und man erzählte sich die Geschichte, ein Major-General sei um zwei Uhr nachts von einem Klopfen an der Tür geweckt worden und habe die Stimme des Sergeants vom Dienst gehört, der ihn fragte: »Haben Sie eine Frau im Zimmer, Sir?«
    Und auf sein empörtes »Nein, verdammt!«, habe die Stimme gesagt: »Gut, hier ist eine.«
    Bevor wir an dem Abend ausgegangen waren, hatte ich beim Dinner ein Kleid getragen, was uns Frauen erlaubt war, solange wir in unserem Kasino blieben; als wir dann beschlossen hatten auszugehen, hatte ich meine beste Uniform angezogen und dazu blassgrüne Seidenstrümpfe, die gestattet waren, weil sie khakifarben getönt waren; und ich hatte meine roten Schuhe anbehalten, da mich der Kontrast, den sie zum Grün bildeten, bezauberte und ich annahm, dass sie in der zwanglosen Atmosphäre des Atlantic kein Ärgernis erregen würden.
    Ich tanzte gerade mit Dent, als Miss Cobb, die Betreuungsoffizierin für Frauen, auf die blanke Tanzbahn trat und geradewegs auf uns zumarschierte. Sie war eine kleine gepflegte Person in den Fünfzigern, mit einem Monokel, das an einem schwarzen Band vor ihrem Hängebusen baumelte, den sie unter dem eng anliegenden Waffenrock ihrer hervorragend geschnittenen Uniform platt drückte.
    Sie brachte uns zum Stehen, indem sie mich hinten beim Kragen packte, und brüllte mit der derb jovialen Stimme, derer sie sich befleißigte: »Zum Teufel mit Ihnen, Louisa, und Ihren nuttenhaften Schuhen! Und der oberste Knopf Ihres Uniformrocks ist auch noch offen. Was leisten Sie sich als Nächstes? Mit offenem Hemd durch die Gegend rauschen und Ihre Titten baumeln lassen wie die Sau auf dem Bauernhof?«
    »Ach, Cobbie, seien Sie keine Spielverderberin«, sagte ich in meinem gewinnendsten Ton.
    »Louisa hat nicht so viele Titten wie eine Sau«, bemerkte der junge Dent. »Denken Sie nach, Cobbie, bevor Sie loskläffen.«
    »Sie halten den Mund«, sagte die Betreuungsoffizierin. »Was glauben Sie eigentlich, was das hier ist? Ein Offizierskasino oder ein Bordell?«
    »Um Himmels willen!«, sagte der junge Dent, laut loslachend. »Mit dem Betrieb hier kämen Sie nie auf Ihre Kosten. Schauen Sie sich doch um. Nichts

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