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Gordon

Gordon

Titel: Gordon Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edith Templeton
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als Frauen in den Wechseljahren, so weit das Auge reicht. Wenn es anders wäre, würde ich vorschlagen, dass wir alle ein Ringelreihen tanzen, Jungen und Mädchen, und uns bei den Händen halten – bloß dass es nicht die Hände wären.«
    »Halten Sie die Klappe!«, sagte die Betreuungsoffizierin. »Das hat nichts mit Louisa zu tun. Ich hätte nicht übel Lust, sie nach Haus zu schicken, samt ihren roten Schuhen. Dann würde sie sich’s das nächste Mal zweimal überlegen.«
    »Och, das würden Sie doch nie tun«, flehte ich. »Dazu sind Sie viel zu nett!«
    »Nett, aber bestimmt, das ist mein Motto«, sagte die Betreuungsoffizierin und fuhr sich, wie unentschlossen, mit der Hand durch das kurze graue Haar.
    »Ach, na schön«, fügte sie hinzu, »aber nur, weil Sie so hübsche kleine Füße haben. Jetzt verschwinden Sie, ich kenn Sie nicht. Ich habe Sie nicht gesehen.«
    Und indem sie mit einer ruckartigen Bewegung beider Arme die Manschetten aus ihrer Uniformjacke hervor schießen ließ, machte sie kehrt und ließ uns stehen.
    »Sehr fidel, das Leben beim Militär«, sagte Gordon, als ich zu Ende erzählt hatte.
    »Aber eigentlich ganz harmlos«, fügte ich eilig hinzu. »Das war nur deren facon de parier, wissen Sie. Aber es ist schon komisch, mit Dent. Er war richtig hässlich, klein, mit einem großen Kopf und Glotzaugen und entsetzlich arrogant. Und er war ein unglaublicher Frauenheld. Das habe auch ich gemerkt. Aber ich habe nie mit ihm geschlafen. Er fragte mich einmal und sagte, er würde nie wieder fragen, und ich tat’s nicht und er ebenso wenig.«
    »Ich hatte auch nicht angenommen, dass Sie darauf eingehen würden«, sagte Gordon.
    »Nicht?«, sagte ich. »Sie hätten ihn sehen sollen. Ich habe mich oft gefragt, warum er eine so ungeheure Anziehungskraft auf Frauen ausübte. Ich glaube, es war bei ihm so wie in dem Gedicht von Goethe, in dem es heißt
     
    Geh den Weibern zart entgegen: dann bekommt man sie; ist man rasch und verwegen, hat man noch größeren Erfolg; beleidigt man sie aber durch seine Gleichgültigkeit, ist man der wahre Verführer.«
     
    »Das ist alles schön und gut«, sagte Gordon, »aber Sie haben Dent nur ins Spiel gebracht, um uns von Ihren roten Schuhen abzubringen.«
    »Sie sind genauso, ich meine, gleichgültig und beleidigend«, sagte ich.
    »Und außerdem bin ich auch älter als der junge Dent«, sagte Gordon, »aber nicht so alt wie Goethe in seinen besten Jahren, als er auf dem Höhepunkt seines Ruhmes war. Ich bin noch zu jung für Sie. Was Sie sich wirklich wünschen, ist der mächtige alte Mann. Jetzt sagen Sie mir, woran erinnern Sie diese roten Schuhe? Ich weiß, dass wir mit ihnen auf dem geraden, schmalen Weg bleiben müssen. Wir dürfen sie nicht wieder verdrecken. Ich wüsste gern, warum.«
    »Sie müssten es ja eigentlich wissen«, sagte ich und warf ihm einen hochmütigen Blick zu.
    »Lenken Sie nicht ab«, sagte er. »Woran erinnern sie Sie?«
    »An Andersens Märchen natürlich«, sagte ich, »vom Mädchen mit den roten Schuhen. Die hat sie sich so sehr gewünscht, und sie ist so eitel, dass sie sie eines Sonntags anzieht, um damit in die Kirche zu gehen, was höchst ungehörig und sündig ist, und in der Kirche fängt sie an zu tanzen und kann nichts dagegen tun, und sie tanzt aus der Kirche hinaus, und sie kann sie nicht wieder ausziehen, und sie tanzt immer weiter und weiter, bis sie tot umfällt. Wahrscheinlich hatte Cobbie Recht und die Schuhe sind wirklich ein bisschen nuttenhaft. Abgesehen davon, dass sie nicht zur vorschriftsmäßigen Uniform passen, natürlich. Wissen Sie, was dieses Immer-weiter-und-weiter und Nicht-stehen-bleiben-Können anbelangt, träume ich manchmal, dass ich in einem roten Sportwagen sitze – leuchtend rot, genau wie meine Schuhe –, und ich bin am Lenkrad, und es geht bergab, immer weiter und weiter bergab, und ich kann nicht bremsen, und es geht immer weiter, aber der große Knall bleibt aus, es ist also nicht so wie im Märchen. Das Auto bleibt irgendwann einfach von selbst stehen. Ich glaube, rot ist wirklich eine sündige, nicht vorschriftsmäßige Farbe. Und – «
    Ich verstummte. Ich hatte Gordon erzählen wollen, dass Cobbie, wenn sie betrunken war, immer auf die Herrentoilette ging, und ich hatte mich jetzt dagegen entschieden.
    »Warum haben Sie so plötzlich aufgehört?«, fragte Gordon. »Sie waren gerade so schön am Assoziieren.«
    »Am was?«, fragte ich. »Ich habe nur geredet.«
    »Genau«, sagte Gordon,

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