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Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen

Titel: Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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eigentlich an Erkenntnis mangelt.«
    Gorian nahm die Schwertspitze fort, und Torbas zog seine eigene Klinge wieder aus der Pflasterfuge. Seine Augen waren bis dahin von Schwärze erfüllt gewesen, und Gorian fiel auf, wie langsam die tatsächliche Farbe und das Weiße darin zurückkehrten. Er wertete es als Zeichen dafür, wie sehr sich Torbas bei diesem Kampf engagiert hatte. Torbas hatte ihn unbedingt besiegen und ihm zeigen wollen, dass er der Bessere war. Aber das war nun wohl entschieden. Vorerst zumindest.
    Torbas richtete den Zeigefinger der freien Hand auf ihn. »Heute bist du der Sieger, aber eines Tages werden wir uns vielleicht unter anderen Vorzeichen erneut gegenüberstehen, und dann werde ich dich bezwingen.«
    »Eigentlich hoffe ich, dass wir gemeinsam gegen die Schergen Morygors antreten«, erwiderte Gorian.
    Torbas lächelte etwas gezwungen. »Natürlich.«
    Da mischte sich Meister Thondaril ein, der dem Gespräch zwischen den beiden mit gerunzelter Stirn gelauscht hatte. »Nehmt Euch ein Beispiel am Ersten Meister, unserem Ordensgründer«, forderte er. »Er legte seinen Namen ab, um der Eitelkeit zu entsagen – und ihr beide plustert euch auf wie Pfaue! Der Einzige, der sich darüber freut, wird Morygor sein, der vermutlich schon vorausberechnet, wie euer Hang zur Selbstdarstellung es ihm in der Zukunft leichter machen wird, euch zu töten!«
     
    Die Tage gingen dahin, und jener Sommer, der einhergehend mit der Invasion der Frostkrieger in Thisilien überall in den nördlichen Herzogtümern des Heiligen Reiches schon vorzeitig sein Ende gefunden hatte, schien sich noch einmal eines Besseren zu besinnen. Es war, als versuchte sich die Natur noch einmal gegen die Bedrohung durch den Schattenbringer aufzulehnen.
    »Wer weiß, wie viele Sommer es noch geben wird«, meinte Sheera, als sie im Rahmen des Heiler-Unterrichts mit Gorian in der Umgebung der Ordensburg unterwegs war. Sie suchten nach bestimmten Heilpflanzen und befanden sich auf einer Wiese am Ufer des östlichen Gont-Arms. Die wurde im Frühjahr regelmäßig überschwemmt, brachte dafür aber in der restlichen Zeit des Jahres ein Sammelsurium seltener Pflanzen hervor, die nur hier zu gedeihen schienen. Nie zuvor hatte Gorian eine solche Vielfalt unterschiedlicher und bizarrer Blütenformen gesehen.
    Doch obwohl er sich eifrig bemühte, die Unterrichtsziele aller fünf Häuser zu erreichen, und er all das neue Wissen begierig in sich aufsog, so interessierten ihn die Heilpflanzen, die auf dieser Wiese zu finden waren, nur in zweiter Linie.
    Wichtiger war in diesem Fall, dass er mit Sheera zusammen sein konnte, die ihn nach wie vor in ihren Bann zog. Leider hatten ihm die umfangreichen Übungen der letzten Zeit nur selten die Möglichkeit gegeben, sich mit ihr zu treffen, obwohl es da noch vieles gab, was sie dringend besprechen mussten.
    Die tiefe innere Verbundenheit zwischen ihnen stand außer Frage, auch wenn Gorian noch immer sehr verwirrt darüber war und nicht den Hauch eine Ahnung hatte, worin sie begründet war. Abgesehen von dem Zauber vielleicht, der für ihn von ihrem Wesen ausging.
    Sie hatte ihm von ihrem Zuhause in Oquitonien erzählt. Davon, dass ihr Vater ein Kaufmann war, der in Nelbar ein Kontor unterhielt. Ein Mann, der allem Magischen zutiefst misstraute. »Stell dir vor, eine Krämerin hätte ich werden sollen, wie meine Mutter.« Sie lachte. »Du wirst dich wundern, aber ich habe sogar ein gewisses Talent zum Feilschen und Handeln. Und was die Kunst des Rechnens angeht, so kann ich es zwar nicht mit einem Zahlenmagier aufnehmen, aber die meisten Kleinköpfigen schlage ich darin ohne Weiteres.«
    »Und doch bist du etwas ganz anderes geworden.«
    »Man muss auf seine innere Stimme hören«, sagte Sheera. »Ich habe schon von klein auf gespürt, dass mit mir etwas anders ist. Ich habe Gesichter im Wasser gesehen, die außer mir niemand sah. Ich habe den Schmerz einer Katze gespürt, die von einem Wagenrad überrollt wurde, und war daraufhin für Wochen gelähmt. Und außerdem hat sich die Farbe meiner Augen manchmal auf eine Weise verändert, die allen, die das beobachteten, Angst machte. Und da waren diese Träume, die mich nicht losgelassen haben und die ich zuerst nicht zu erklären vermochte …« Sie pflückte ein paar Blüten und stopfte sie in einen Lederbeutel, den sie dafür mitgenommen hatte. Dann sah sie Gorian lächelnd an. »Und in einem dieser Träume habe ich zum ersten Mal dein Gesicht gesehen. Es war wie

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