Gorian 1: Das Vermächtnis der Klingen
schossen daraus hervor, trafen den Altar und ließen das Siebenerkreuz darauf erscheinen.
Der Frostkrieger schlug mit dem Wurfbeil ins Leere, denn Gorian wurde durch die magischen Kräfte des Mondlichts zurück- und zu Boden geschleudert. Der untote Orxanier aber wurde von einem bläulichen Blitz erfasst, als seine Axtklinge das Mondlicht streifte, er flog ein Dutzend Schritt weit durch den Tempel, und einige der anderen Frostkrieger mussten ihm ausweichen, bevor sein Körper schwer auf den Boden fiel.
Gorian erhob sich, fühlte sich leicht benommen, gleichzeitig aber erfüllt von einer fremden magischen Kraft. Mochte dies nun die des Mondes oder der Alten Götter oder gar die eines gebannten Gargoyle sein, es war ihm gleich. Er sah auf den Altar, starrte auf das zuerst silbern und dann golden schimmernde Siebenerkreuz.
»Du weißt, was zu tun ist«, vernahm er eine Gedankenstimme, bei der er sich nicht so recht im Klaren darüber war, wer sich ihm da in diesem Moment mitteilte – Ar-Don, Meister Domrich oder vielleicht die Wesenheiten, die man einst in diesem Tempel verehrt hatte und deren Namen man schon seit so vielen Zeitaltern nicht mehr auszusprechen wagte, dass sie vergessen waren.
Frogyrr befand sich am Tempelportal, das er aufgrund seiner Größe nicht durchschreiten konnte. Dass der Langzahnlöwe eine der Säulen zum Einsturz gebracht hatte, brachte den achtbeinigen Riesenbären keinerlei Erleichterung. Er brüllte ins Innere des Tempels, vielleicht einen Befehl in orxanischer Sprache, woraufhin die zögernden Frostkrieger wie durch einen einzigen Willen getrieben auf den Altar zustürmten.
Innerhalb eines einzigen Augenblicks sah Gorian sein gesamtes bisheriges Leben noch einmal vor seinem inneren Auge ablaufen. Alles hatte mit dem Erwachen auf einem Boot begonnen und den geflügelten Fischen, deren Auftauchen er einen kurzen, aber rettenden Moment vorhergesehen hatte. Er hatte nicht überlegt, sondern die Kraft wirken lassen, die einfach da gewesen war und ihn durchdrungen hatte. Eine Kraft, um derentwillen er sich immer wieder an diesen einen Moment erinnerte.
Gorian stieß einen Schrei aus. Einen Kraftschrei, wie er ihm noch nie zuvor – trotz aller geistigen und körperlichen Übungen – gelungen war. Gleichzeitig berührte er mit der rechten Hand das inzwischen rotgolden schimmernde Siebenerkreuz.
Gorians Hand verbrannte. Sie wurde schwarz, verkohlte, und zugleich war es ihm unmöglich, sie fortzuziehen. Aus dem Siebenerkreuz heraus durchstieß ein Lichtbogen seine Hand. Er fuhr genau durch jene Öffnung im Mauerwerk, durch die man auf den Brotbaum blicken konnte, an dessen Wurzeln Ar-Dons untote Überreste begraben und gebannt waren. Der Lichtbogen traf dort den Boden, und obwohl Gorian durch die Öffnung nichts als gleißendes Licht sehen konnte, wusste er dennoch, was vor dem Baum geschah. Er sah in seinem Kopf, wie sich die Erde auf einer Breite von vier Schritten öffnete, der Brotbaum mitsamt seinen weit verzweigten, bis an das Tempelgemäuer reichenden Wurzeln aus der Erde gerissen wurde und umstürzte und Dutzende steinerner Bruchstücke aus dem Boden schossen, sich im Flug zusammenfanden und einen kleinen steinernen Drachen bildeten, der etwa die Größe eine Katze hatte.
»Ar-Don … hilft … und tötet …«
Während Gorian diesen Gedanken empfing, schlug einer der heranstürmenden Orxanier mit der Axt nach ihm. Der Hieb hätte unter normalen Umständen Gorian den Kopf gespalten wie einen Kürbis, doch bevor ihm die Axtklinge in den Schädel dringen konnte, bildete sich – ausgehend von der noch immer das Siebenerkreuz berührenden Hand – ein Lichtflor, der Gorian vollkommen einhüllte. Die Axt prallte so stark zurück, dass sie dem Orxanier fast aus der Pranke gerissen wurde.
Unterdessen sprang der gerade wiedererstandene Gargoyle mit weiten, raumgreifenden Sätzen auf den Tempel zu, breitete dabei seine Flügel aus und veränderte mehrfach seine Farbe, die zwischen einem feurigen Rot und Giftgrün changierte und dann zu einem kalten, an Eis erinnerndes Graublau wurde.
Als das Geschöpf nur noch wenige Schritte vom Gemäuer entfernt war, sprang es noch einmal empor, flatterte heftig mit den sich noch während des Fluges leicht vergrößernden Flügeln und jagte wie ein Katapultgeschoss durch die Öffnung in der Tempelwand.
Das steinerne Wesen traf den Kopf des Orxaniers, der Gorian angegriffen hatte, und die Wucht des Zusammenpralls zerschmetterte den Schädel des
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