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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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im Bereich des Speersteins von Orxanor der Fall gewesen war. Diese Aura veränderte jeden und machte ihn zum Untoten, wenn er sich zu lange in ihrem Einflussbereich aufhielt und nicht die innere Stärke aufbrachte, ihr zu widerstehen.
    Ohne magische Hilfe war das eigentlich nicht denkbar. Nur Gorian hatte es seinerzeit geschafft, zumindest bis zum
Speerstein vorzudringen, aber auch das nur zum Preis der totalen, todesähnlichen Erschöpfung.
    Centros Bal empfing Gorian und Thondaril in der Kanzlei seines Kontors. Der kleine, drahtige Mann mit dem grauen Bart, der als »Nordfahrer« in ganz Ost-Erdenrund bekannt war, schien sich ehrlich zu freuen, die beiden wiederzusehen. Er trug seinen eng anliegenden Greifenreiter-Anzug, so als wäre er gerade erst von einem längeren Flug zurückgekehrt.
    Ein Zahlenmagier – unzweifelhaft an seinem übergroßen kahlen und von einem Netz aus pulsierenden Adern überzogenen Kopf als solcher zu erkennen – stand an einem Schreibpult und murmelte Zahlen vor sich hin.
    Auf dem Pult saß eine achtäugige Schreibspinne. Aus den Enden ihrer Beine quoll Tinte, mit der sie die Angaben des Zahlenmagiers mit einer solchen Feinheit und Akribie in eine Tabelle eintrug, wie dies keinem menschlichen Schreiber möglich gewesen wäre.
    Gorian betrachtete die Schreibspinne einen Moment, und sie schien mit drei oder vier ihrer Augen diesen Blick zu erwidern, wobei sie ihre Schreibgeschwindigkeit kein bisschen verringerte.
    Centros Bal bemerkte Gorians Interesse und lächelte. »Du hast sicher schon so ein Tier gesehen, was?«
    »Ich habe davon gehört.«
    »Die Schiffe aus Margorea bringen sie her, und sie erfreuen sich immer größerer Beliebtheit. Und sie sind sehr gelehrig. Aber es gibt bereits Bestrebungen der Schreibergilde, sie zu verbieten, weil sonst niemand mehr die Mühen des Schreibenlernens auf sich nimmt.«
    »Wollen die Mitglieder der Schreibergilde sie nicht eher deshalb verbieten, weil sie um ihre Pfründe fürchten?«, vermutete Thondaril.

    Centros Bal schüttelte den Kopf. »O nein, da liegt Ihr falsch, werter Thondaril«, entgegnete er in bestem Heiligreichisch. »Für eine Schreibspinne muss man den Lohn von drei Schreibern für ein ganzes Jahr zahlen, so teuer sind die Tierchen. Von den Kosten der Haltung ganz zu schweigen. Die Biester sind nämlich ziemlich anspruchsvoll.«
    »Aber sie schreiben schneller und machen weniger Fehler«, erklärte der Zahlenmagier, der seine für unbeteiligte Hörer sinnlos erscheinende Zahlenlitanei für einen Moment unterbrach.
    Centros Bal stellte ihnen den Zahlenmagier vor. Er hieß Rastos und stammte aus Andobar, der Hauptstadt des gleichnamigen Inselfürstentums vor der gryphländischen Küste. Formal gehörte Andobar zum Königreich Gryphland, aber faktisch war es schon seit jenen Tagen unabhängig, da die gryphländischen Greifenreiter gegen die Himmelsschiffe der Caladran gekämpft hatten. Der Fürst von Andobar hatte sich nämlich für neutral erklärt und sich geweigert, mit seinen eigenen Greifenreitern gegen den Feind zu Felde zu ziehen. Für manche Gryphländer hatte die Bezeichnung Andobarianer seitdem die gleiche Bedeutung wie das Wort Verräter.
    Insbesondere den Mitgliedern der zahlreichen Gilden von Gryphland, die eine erhebliche Macht ausübten, war Andobar und jeder, der von dort stammte, verhasst, denn das angebliche Gildenunwesen war in dem Inselfürstentum abgeschafft worden. Die Fürsten von Andobar hatten damit den Handel angekurbelt und gleichzeitig die Gilden auf dem gryphländischen Festland dazu gezwungen, die Einfuhr so mancher Ware, die sie für bedenkliche Konkurrenz hielten, zuzulassen.
    »Rastos vertritt mich hier in Gryphenklau, wenn ich auf
Reisen bin«, erklärte Centros Bal. »Er genießt mein vollstes Vertrauen und hält hier meine Geschäfte am Laufen.«
    »Ich habe schon von Euch gehört, Thondaril«, sagte Rastos höflich und in geschliffenem Heiligreichisch. Dann wandte er den ballonartigen Kopf und sah Gorian an. »Und von Euch erzählt man sich seit Kurzem ebenfalls sehr wundersame Dinge, Meister Gorian.«
    Dass der Zahlenmagier ihn nicht nur in der Höflichkeitsform, sondern auch noch mit Meister ansprach, war wohl den Gerüchten geschuldet, die über die Errettung der Königstochter in Gryphenklau kursierten.
    »Verzeiht, aber ich bin noch kein Meister, sondern ein nach wie vor gelehriger Schüler Thondarils«, gab Gorian auf Gryphländisch zurück.
    »So ist das, was Ihr für das Königshaus getan

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