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Gorian 2

Gorian 2

Titel: Gorian 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alfred Bekker
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dies noch keine Mühe und Kraft erfordert, die aber in den nächsten Jahren oder Jahrzehnten bestimmend für mein Leben sein würden.«
    »So denkt man vielleicht, wenn einem nur eine kurze Existenz vergönnt ist.«

    »Morygor denkt offenbar genauso«, erwiderte Gorian, »und nach allem, was ich weiß, ist er nicht weniger langlebig als andere Caladran auch.«
    »Morygor ist eine Ausnahme. Aber die Grausamkeit eines vorherbestimmten Lebens ist umso größer, je länger es vermutlich andauert. Zumindest ist dieses Empfinden unter den Caladran weit verbreitet. Darum sind bei ihnen bestimmte magische Praktiken bis heute verboten, zum Beispiel ein zu weit reichender Blick in die Zukunft. Ein Wesen, das davon ausgeht, dass sein Leben zu einem Großteil vorherbestimmt ist, ist nicht mehr frei, sondern Sklave seines offenbar feststehenden Schicksals. Ereignisse, die keine große Wahrscheinlichkeit haben, treten mit Sicherheit nicht ein, wenn der Betreffende von ihrer geringen Wahrscheinlichkeit weiß. Zu viel Wissen um die Zukunft schränkt jede Entscheidung ein und macht ein jedes Wesen unfrei. Morygors Interesse jedoch war immer ganz besonders auf die Voraussicht der Schicksalswege gerichtet. Seine Mitleidlosigkeit besteht darin, dass er sein Wissen nicht für sich behält, und das war einer der Gründe, dass er zum Ausgestoßenen wurde. Zumindest, soweit man es mir berichtete. Denn was immer letztlich zu Morygors Verbannung führte, ereignete sich lange, bevor ich ins Exil gehen musste. Sehr lange.«
    »Aber man hat Euch davon berichtet, sagtet Ihr gerade«, entgegnete Gorian, der hellhörig geworden war. »Daraus schließe ich, dass Ihr in all den Zeitaltern, da Ihr bei den Greifenreitern weiltet, Kontakt zu den Caladran gehalten habt.« Er wunderte sich zunächst über diese Feststellung, dann aber sagte er sich, dass den Caladran sicherlich noch weitaus bessere magische Techniken zur Verfügung standen als das Handlichtlesen, wie es die Mitglieder des Ordens
der Alten Kraft praktizierten, um untereinander auch über weite Entfernungen hinweg in Verbindung zu bleiben.
    »Es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt, um über diesen Punkt weiterzusprechen«, sagte der Namenlose Renegat, doch Gorian registrierte, dass ein Ausdruck der Qual das ansonsten regungslos wirkende Gesicht des uralten Caladran prägte.
    Nicht nur ihm fiel es auf. »Er scheint ein besonderes Interesse an Morygor zu haben«, meldete sich Sheera mit einer Gedankenbotschaft bei Gorian. » Frag ihn, warum das so ist!«
    »Ich weiß nicht, ob das wirklich eine gute Idee wäre«, antwortete ihr Gorian.
    »Doch, es ist wichtig. Es besteht eine Verbindung zwischen den beiden, die sehr stark ist. Frag ihn danach, er muss uns darauf antworten!«
    »Ich muss gar nichts!«, sagte der Renegat laut. »Außerdem würdet ihr es nicht verstehen. Ihr verdankt meinem maskierten Begleiter und mir euer Leben. Euer Plan wäre gescheitert, hätte ich ihn nicht zu meinem gemacht!« Und stumm fügte er noch sehr eindringlich und mit unmenschlicher Kälte hinzu: »Also seid dankbar und folgt mir!«
     
    Centros Bal lenkte den Greifen die Nordostseite des mittelgryphländischen Bergrückens entlang. Schneegestöber und Hagel wechselten einander ab, und manchmal konnte man, wenn man aus den Gondelfenstern blickte, so gut wie nichts sehen.
    Aber wo der Einfluss der Feuerdämonen begann, war deutlich ein abrupter Wechsel des Wetters zu erkennen, dort war der Himmel klar und blau. Riesenhafte Feuerfontänen schossen empor, um groteske, vielarmige Flammengestalten zu bilden.

    Noch immer tobte der Kampf zwischen Feuer und Eis und wurde auf einer unvorstellbar breiten Front geführt. Die Gletscher hatten inzwischen die äußersten Ausläufer der Berge erreicht und sie unter sich begraben. Sie schoben die geröllhaltigen Endmoränen vor sich her, hinein in das rot geäderte Feuerreich. Aber dieses Geröll wurde von den Feuerdämonen sogleich zurück in den eisigen Nordostwind geschleudert, der seinerseits Schnee und Hagel in die entgegengesetzte Richtung blies.
    Die Nacht brach herein, als die Gondel den Schlangenzahn erreichte, ein Gebirge, das nahe der westreichischen Grenze vom mittelgryphländischen Bergrücken abzweigte. Es verlief Richtung Nordosten und reichte bis tief in jenes Gebiet, das sich bereits fest in der Gewalt des Frostreichs befand.
    Der Schlangenzahn glühte und sah in der Dunkelheit aus wie feurige Lava. Centros Bal blieb keine Wahl, als das Gebirge zu

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