Gorian 2
seine Hand auf Zog Yaals Schulter.
»Für eine Weile wird es gehen!« , bestätigte ihm Sheera mit einem Gedanken.
Torbas ließ sich von seiner Seilschlange ebenfalls auf den Rücken des Greifen heben. Aus mindestens einem Dutzend Wunden rann schwarzes Blut aus dem Körper der Seilschlange, und sie stieß wimmernde Laute aus.
Torbas presste eine Hand auf seine Schulter. Ebenfalls schwarzes Blut sickerte ihm zwischen den Fingern hindurch,
und sein Gesicht war schmerzverzerrt. »Alles halb so wild«, behauptete er. »Nur die Seilschlange, um die ist es schade, denn ich glaube nicht, dass sie ihre Verletzungen überstehen wird.«
Ein Gedanke durchzuckte Gorian. Torbas war an der linken Schulter verwundet, genau wie er selbst!
Torbas schien seine Gedanken zu erahnen. »Ja, ich bin in allem scheinbar etwas später dran als du. Aber nach und nach werden wir uns immer ähnlicher. Fast könnte man meinen, wir wären Brüder!«
»Wir sind beide im Zeichen des fallenden Sterns geboren«, erwiderte Gorian. »Die Gestirne scheinen unser beider Schicksal maßgeblich zu bestimmen.«
Der Morgen graute, als sie den Schlangenzahn hinter sich ließen. Das Land dahinter war bisher weder von den Feuerdämonen noch vom Frostreich in Beschlag genommen worden. Aber das würde noch geschehen.
Ein schroffer, sehr tiefer Grabenbruch bildete an dieser Stelle die Grenze zwischen Gryphland und Westreich. Jenseits davon begann Bergland, das in gewisser Weise die Fortsetzung des mittelgryphländischen Bergrückens bildete. Allerdings hatten die Felsen auf der westreichischen Seite des Grabens eine deutlich rötliche Färbung. Ansonsten erstreckte sich auch hier ein zerklüftetes, sehr unzugängliches Gebiet.
Zog Yaal kannte sich in der Gegend aus. »Ich bin schon ein paar Mal hierhergeflogen«, erklärte er. »Na ja, besser gesagt, ich bin mitgeflogen, denn wie ihr wisst, war ich bislang ja noch nicht allzu oft als Greifenreiter im Einsatz.«
»Dafür machst du es hervorragend«, meinte Torbas. »Es erstaunt mich, dass du den Greifen überhaupt noch in der
Luft halten kannst, so übel, wie die Eiskrähen ihn zugerichtet haben.«
»Lange wird es nicht mehr so weitergehen«, befürchtete Zog Yaal. »Wir werden uns in den Bergen einen Platz suchen müssen, wo wir landen können.«
»Dann halte danach Ausschau«, entgegnete Gorian. »Vielleicht gibt es hier in der Gegend ja auch einen Ort, an dem wir Hilfe bekommen können.«
»Darauf würde ich nicht wetten«, sagte Zog Yaal.
»Wieso? Westreich soll ein kultiviertes Land sein. Die besten Schiffe werden dort gebaut, und die hiesige Glasbläserkunst ist einzigartig.«
»Mag sein. Aber alles, was du sagst, trifft auf die großen Städte an der Küste zu. Das Innere von Westreich – und insbesondere das Bergland im Süden – ist nur sehr spärlich besiedelt. Aber so, wie es aussieht, lassen uns die schwindenden Kräfte des Greifen keine Wahl; wir müssen runter.«
»Du nennst ihn immer nur den Greifen «, stellte Gorian fest. »Und auch Centros Bal habe ich nie etwas anderes sagen hören.«
»Das ist richtig«, bestätigte Zog Yaal.
»Hat euer Greif denn keinen Namen?«
»Ich fürchte, bald wird er einen haben«, murmelte Zog Yaal. »Früher, als allen lieb sein kann.«
»Das verstehe ich nicht.«
Zog Yaal wandte den Kopf, um Gorian anzusehen, und ein angestrengtes Lächeln glitt über sein Gesicht. »Du hast dich lange genug in Port Gryphenklau herumgetrieben, um unsere Sprache zu lernen, aber du hast nie etwas von den Namen der Greifen gehört?«
»Nein.«
»Ein Greif erhält seinen Namen erst nach seinem Tod, damit
man sich seiner erinnert. Zuvor nennt man ihn einfach nur ›den Greifen von Centros Bal‹ oder meinetwegen auch ›den fünften Greifen von Centros Bal‹. Alles andere wäre respektlos.«
»Weshalb?«
»Wir wissen nicht, wie sich die Greifen untereinander nennen oder ob sie sich überhaupt Namen geben. Jemandem bei einem Namen zu nennen, der nicht wirklich der seine ist, wäre extrem unhöflich.«
»Und nach dem Tod ist das anders?«
Zog Yaal nickte. »Wenn ein Gryphländer stirbt, wird ihm von seiner Verwandtschaft sehr häufig ein anderer Name verliehen, damit er unbelastet von den Sünden seines Lebens vor den Verborgenen Gott treten kann.«
»Ich glaube nicht, dass dies der Lehre der Priesterschaft und des Bischofs von Atrantia entspricht.«
»Nein, das tut es nicht. Aber die Priesterschaft hat es nie geschafft, diese Sitte auszumerzen. Und warum
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