Gorian 3
hinabrutschen, um danach die Festungsanlagen der Stadt unter ihren gewaltigen Körpern niederzuwalzen.«
»Ich werde über Euren Vorschlag nachdenken«, sagte der Kaiser.
»Dazu ist jetzt keine Zeit mehr«, sagte Thondaril.
»Vergesst nicht, mit wem Ihr sprecht, Hochmeister! Ich bin der Kaiser. Und ich führe das Heer und treffe letztendlich die Entscheidungen.«
Meister Shabran trat vor. Er schlug seinen dunklen Schattenmeister-Mantel zur Seite, zog ein Schwert und warf es dem Kaiser vor den Thron.
»Was erlaubt Ihr Euch?«, entfuhr es Corach, während gleich ein halbes Dutzend Wachen nach ihren Waffen griffen. »Was ist das für ein Schwert?«
»Ein laramontisches Gift-Rapier, das einem jener Assassinen gehörte, die gedungen wurden, um Hochmeister Thondaril und Meister Gorian zu töten. Den Schein des Laramontischen Feuers, das die Libellengondel verschlang, müsstet Ihr von Eurem Quartier aus gesehen haben.«
»Was habe ich damit zu tun?«, rief Corach.
»Genau diese Frage stelle ich Euch, Majestät!«
»Das ist unerhört!«, ereiferte sich Corach, dann war er auf einmal nicht mehr in der Lage, noch ein einziges Wort hervorzubringen. Stattdessen rang er nach Atem, lief rot an und bedeckte Mund und Nase mit seinem Taschentuch. Ein Röcheln, und er brach in sich zusammen, kippte vornüber vom Thron und blieb reglos am Boden liegen.
Einer seiner Gefolgsleute kniete neben ihm nieder. »Einen Heiler!« rief er. »Wo ist der Leibheiler des Kaisers?«
Sheera lief quer durch den Raum, geradewegs durch die verblassende Lichtblase von Meister Thondaril hindurch. Gorian folgte ihr, und Thondaril wandte sich wütend an Meister Shabran. »Dieser Auftritt war nicht abgesprochen! Was fällt Euch ein! Ist Euer Verstand auf den Schattenpfaden verloren gegangen?«
Eine Wache stellte sich Sheera in den Weg.
»Ich bin Heilerin!«, erklärte sie und hielt die linke Hand hoch, an der ihr Ring zu sehen war.
Einige der Gefolgsleute des Kaisers wechselten unschlüssige Blicke, dann nickte ein Mann mit weißem Backenbart. Er war einer der wenigen Unbewaffneten des Trosses, mit dem der Kaiser gekommen war. Er trug einen samtfarbenen Mantel mit Pelzbesatz und die goldene Kette des kaiserlichen Kanzlers.
»Lasst sie!«, entschied er. »Und irgendjemand sollte nachsehen, wo der kaiserliche Leibheiler geblieben ist! Und zwar schnell!«
»Es tut mir leid, ich kann nichts mehr für ihn tun«, stellte Sheera sehr schnell fest. »Der Kaiser ist tot.«
Es dauerte eine ganze Weile, bis sich der Tumult im Saal gelegt hatte. Der tote Kaiser wurde von seinen Gefolgsleuten hinausgetragen.
»Wo ist denn dieser verdammte Leibheiler?«, rief jemand.
»Wir brauchen jetzt einen Priester«, stach eine andere Stimme hervor.
Gorian bemerkte, dass Sheeras Blick suchend über den Boden schweifte. »Wonach suchst du?«
»Nach dem Taschentuch. Ich glaube, der Kaiser wurde vergiftet. Aber sein Taschentuch ist spurlos verschwnden.«
Als endlich wieder einigermaßen Ruhe im Saal eingekehrt war, ergriff der Herzog von Eldosien das Wort. Er erhob sich von seinem Platz. Seine Gestalt war groß und breitschultrig, das Kinn wirkte durch einen dunklen Bart sehr kühn, der Blick seiner dunklen Augen drückte Entschlossenheit aus.
Er hob die Hände. »Dem Verborgenen Gott hat es gefallen, den Kaiser des Heiligen Reiches zu sich zu rufen«, sagte er mit durchdringender, klarer Stimme. »Corach IV. aus dem Geschlecht der Laramonteser wird unser Heer nicht mehr befehligen können. Nach der Verfassung des Heiligen Reiches ist es in einer kaiserlosen Zeit möglich, dass mindestens drei Herzöge einen kaiserlichen Regenten erheben, wenn das Reich bedroht ist. Da ich selbst in Personalunion Herzog von Eldosien, Oquitonien und Baronea bin, ernenne ich mich hiermit vorläufig und bis zur Einberufung einer Versammlung aller Herzöge zum Regenten und übernehme ab sofort auch das Kommando über die kaiserlichen Truppen und die im Hafen liegende Flotte.«
»Da scheint jemand lange auf seinen Moment gewartet zu haben«, sandte Gorian eine Gedankenbotschaft an Sheera.
Quälend lange Augenblicke herrschte Schweigen im Saal.
Der Herzog bedachte den kaiserlichen Kanzler mit einem durchdringenden Blick. »Gibt es jemanden, der gegen dieses Vorgehen rechtliche Einwände vorzubringen hat?«
Der Kanzler schluckte. »Angesichts der Bedrängnis, in der wir stehen, möchte ich nicht dagegen sprechen.«
»So kann ich auch auf Eure Dienste zählen,
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