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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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stehst hier, Irina.« Er schob sie näher an den Tisch heran. »Du bist Osborne.«
    »Nein, bitte nicht«, bat Irina.
    »Nur zur Verdeutlichung«, sagte Arkadi. »Den Schnee und den Wodka musst du dir allerdings dazudenken. Kannst du dir die unbekümmerte Fröhlichkeit vorstellen? Drei dieser Menschen glauben, dass für sie ein neues Leben beginnen soll - Freiheit für zwei von ihnen, Berühmtheit für den dritten.
    Hast du - oder vielmehr Osborne - ihnen bei dieser Gelegenheit erklärt, wie sich ihre Flucht abspielen sollte? Höchstwahrscheinlich, denn nur du weißt, dass sie schon sehr bald tot sein werden.«
    »Ich …«
    »Ikonen und Schreine bedeuten dir nichts; die hätten dir andere beschaffen können - zum Beispiel Golodkin. Hätten diese drei nur ein paar Ikonen für dich gefälscht, hättest du sie am Leben lassen können. Was wäre dabei rausgekommen, wenn sie versucht hätten, dich anzuzeigen? Deine Freunde beim KGB hätten sie ausgelacht und fortgeschickt! Aber was sie wirklicher dich getan haben, dürfen diese drei niemals verraten - weder in Moskau noch anderswo.«
    »Das darfst du mir nicht antun«, protestierte Irina.
    »Es schneit«, fuhr Arkadi fort. »Ihre Gesichter sind vom Wodka leicht gerötet. Sie haben Vertrauen zu dir; schließlich hast du bereits den jungen Amerikaner ins Land gebracht, nicht wahr? Bis die erste Flasche Wodka geleert ist, lieben sie dich. Du bist ihr Retter aus dem Westen. Ihr trinkt euch lächelnd zu. Ah, wir brauchen noch eine Flasche! Mr. Osborne, Sie sind ein großzügiger Mann, Sie haben einen ganzen Beutel voller Flaschen und Leckerbissen mitgebracht … Du hebst ihn hoch, als müsstest du etwas suchen - und holst die nächste Flasche heraus. Nachdem du vorgegeben hast, einen kräftigen Schluck zu trinken, leert Kostja wie erwartet ein Viertel der Flasche mit einem Zug. Valeria ist schon ein bisschen angeheitert; sie denkt daran, wo sie in ungefähr einer Woche sein, was für Kleider sie tragen und wie herrlich warm es sein wird. Auch Kirwill steht schon ein bisschen wacklig auf den Beinen; er denkt ebenfalls an Amerika und seinen bevorstehenden Triumph. Kein Wunder, dass der Wodka so schnell zu Ende geht.
    Noch eine Flasche? Warum nicht? Es schneit dichter, die Musik ist lauter geworden. Du hebst den Lederbeutel, kramst darin herum, schiebst die Flasche beiseite und bekommst den Griff deiner Pistole zu fassen. Du entsicherst die Waffe. Kostja ist am durstigsten, deshalb wendest du dich zuerst an ihn.«
    Arkadi warf den Stuhl mit einem Tritt um. Irina fuhr zusammen. »Ausgezeichnet!« sagte Arkadi.
    »Eine Pistole ist nicht so laut wie ein Revolver, und der Schussknall wird durch den Lederbeutel, den Schnee und die Lautsprechermusik gedämpft. Kostja blutet wahrscheinlich nicht gleich. Valeria und der Amerikaner begreifen gar nicht, warum er zusammengesackt ist. Ihr seid doch alle Freunde! Du bist gekommen, um sie zu retten, nicht wahr? Du drehst dich nach Kirwill um und hältst ihm den Lederbeutel vor die Brust.«
    Irina lief eine Träne über das Mal auf ihrer Wange.
    Er warf den zweiten Stuhl um. »Da liegt Kirwill. Nur Valeria ist noch übrig. Sie starrt ihren toten Kostja und den toten Amerikaner an, aber sie versucht nicht einmal, wegzulaufen oder um Hilfe zu rufen. Das hat einen einleuchtenden Grund: Ohne Kostja ist sie so gut wie tot, und du erlöst sie praktisch nur von ihrem Elend. Du tust ihr damit sogar einen Gefallen!«
    Arkadi riss den Plastiksack auf und zog ein billiges dunkles Kleid mit Blut- und Schmutzflecken und einem Loch über der linken Brust heraus. »Valeria wartet unbeweglich; sie begrüßt die Kugel, die sie als Erlösung empfindet. Schade um ein so hübsches Mädchen, denkst du noch …« Er ließ das Kleid auf den Tisch fallen. »Jetzt sind alle drei tot. Niemand kommt, die Musik spielt weiter, der Schnee wird die Leichen bald bedecken.«
    Irina zitterte am ganzen Leib.
    »Sie sind tot«, wiederholte Arkadi, »aber deine Arbeit ist noch nicht beendet. Du sammelst die Erfrischungen, alle Flaschen und die Ausweise der Toten ein. Dann riskierst du zwei weitere Schüsse, weil der Amerikaner wegen einer früheren Zahnbehandlung identifiziert werden könnte. Kostja bekommt den gleichen Schuss ab, damit die dumme Miliz an Gnadenschüsse denkt. Trotzdem könnten sie noch aufgrund ihrer Fingerabdrücke identifiziert werden. Ganz einfach! Du hast eine Geflügelschere oder dergleichen mitgebracht. Schnipp, schnipp, schon sind die Fingerspitzen

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