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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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weg.
    Aber was ist mit den Gesichtern? Als Kürschner weißt du auch darauf die richtige Antwort: Du ziehst ihnen die Gesichter ab. Was dich verraten könnte, verschwindet in dem Lederbeutel. Genug! Du fährst in dein Hotel und fliegst dann in jene andere Welt zurück, aus der du gekommen bist. Alles scheint in bester Ordnung zu sein.«
    Arkadi drapierte das Kleid schräg über den Tisch und faltete einen langen Ärmel über den anderen.
    »Du kennst nur einen Menschen, der dich mit den drei Ermordeten im Gorki-Park in Verbindung bringen könnte. Aber sie verrät dich auf keinen Fall, weil sie Valerias beste Freundin ist und sich wünscht, Valeria wäre in New York oder Rom oder Kalifornien. Diese Vorstellung ist ihr ganzer Lebensinhalt. Nur der Glaube daran, dass Valeria irgendwo in Freiheit lebt, gibt ihr die Kraft, den Alltag durchzustehen. Sie würde dich nicht einmal verraten, wenn du versuchen würdest, auch sie zum Schweigen zu bringen. Du kennst eben deine Russen.«
    Irina schwankte sichtbar. Er fürchtete, sie werde zusammenbrechen.
    »Die entscheidende Frage lautet: >Wo ist Valeria?«« fuhr Arkadi fort.
    »Wie kannst du mir das antun?« flüsterte Irina.
    Arkadi nahm den Deckel der Hutschachtel ab. »Du wolltest wissen, wo Valeria ist, nicht wahr?«
    »Ich kenne dich, Arkascha«, sagte Irina. »Das tust du mir nicht an.«
    »Hier ist Valeria.«
    Arkadi begann den Kopf aus der Hutschachtel zu heben. Er packte ihn an den dunklen Haaren und zog ihn langsam hoch, bis die Stirn über dem Rand der Schachtel sichtbar wurde.
    »Arkascha!« Sie schloss die Augen und schlug die Hände vors Gesicht.
    »Sieh sie dir an!«
    »Arkascha!« Sie nahm die Hände nicht vom Gesicht. »Ja, ja, Valeria hat hier gelebt.«
    »Welche Valeria?«
    »Valeria Dawidowa.«
    »Mit wem hat sie hier gelebt?«
    »Mit Kostja Borodin und dem jungen Kirwill.«
    »Einem Amerikaner namens James Kirwill?«
    »Ja.«
    »Du hast sie hier gesehen?«
    »Kirwill hat sich hier die ganze Zeit versteckt gehalten. Valeria ist hier gewesen, sonst wäre ich nicht hergekommen.«
    »Du hast dich mit Kostja nicht verstanden?«
    »Nein.«
    »Was haben sie hier gemacht?«
    »Sie haben einen Schrank gebaut - einen Schrein -, aber das weißt du ja.«
    »Für wen?« Arkadi hielt den Atem an, als sie zögerte. »Osborne«, sagte Irina. »Für welchen Osborne?«
    »John Osborne.«
    »Für einen amerikanischen Pelzhändler namens John Osborne?«
    »Ja.«
    »Sie haben angesagt, dass sie den Schrein für Osborne bauen sollten?«
    »Ja.«
    »Ist das alles gewesen, was sie für Osborne getan haben?«
    »Nein.«
    »Bist du jemals in dem Schuppen hinter dem Haus gewesen?«
    »Ja, einmal.«
    »Hast du gesehen, was sie Osborne aus Sibirien mitgebracht haben?«
    »Ja.«
    »Bitte noch mal. Du hast gesehen, was sie Osborne aus Sibirien mitgebracht haben?«
    »Ich hasse dich!« schluchzte Irina. Arkadi schaltete den Kassettenrecorder in der Hutschachtel aus und ließ den Kopf in die Schachtel zurückfallen. Irinas Hände sanken herab. »Jetzt hasse ich dich wirklich.«
    Arkadi rief Schwan herein, der draußen gewartet hatte, und wandte sich wieder an Irina. »Dieser Mann fährt dich in die Stadt zurück. Am besten bleibst du bei ihm. Komm nicht wieder in meine Wohnung; dort bist du nicht sicher. Am besten fahrt ihr gleich zurück.«
    Er hoffte, dass sie verstehen und darauf beharren würde, bei ihm zu bleiben. Dann hätte er sie mitgenommen.
    Sie blieb noch einmal an der Tür stehen. »Ich kenne die Geschichten, die über deinen Vater erzählt werden«, sagte sie. »Er gilt als Ungeheuer, weil er Feinden die Ohren abgeschnitten haben soll. Aber niemand kann ihm nachsagen, er habe jemals einen ganzen Kopf herumgezeigt. Im Vergleich zu dir ist er ein Waisenknabe!«
    Irina verließ das Haus. Arkadi sah ihr nach, als sie in Schwans uralten Sis stieg, der mit ihr über den ausgefahrenen Weg davon holperte.
    Arkadi ging zu dem Wellblechschuppen hinter dem Haus und schloss die Tür mit einem der Schlüssel der Ermordeten auf. Entlang der Längsachse des fensterlosen Schuppens hing eine Lichtschiene mit aufgesteckten Scheinwerfern, die den Raum in taghelles Licht tauchten. Eine Schaltuhr steuerte den Mechanismus, der die Lichtschiene in zwölf Stunden um fast 180 Grad drehte und so den Tagesverlauf imitierte. Auf beiden Seiten der Schiene hingen je zwei Ultraviolettstrahler.
    Der nutzbare Raum rechts und links des Mittelganges wurde von zwei langgestreckten Maschendrahtkäfigen

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