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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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die beiden sich irgendwo in die Taiga zurückgezogen oder waren tot.
    Ust-Kut … Arkadi schüttelte den Kopf. Wie sollte jemand aus Ust-Kut nach Moskau gelangt sein?
    Aber er wollte seinen Kollegen in Sibirien, den er sich als verschmitzten Orientalen vorstellte, nicht vor den Kopf stoßen. »Wo und wann sind sie zuletzt gesehen worden?« erkundigte er sich.
    »Im Oktober vergangenen Jahres in Irkutsk.«
    »Wissen Sie, ob einer der beiden sich auf die Restaurierung von Ikonen versteht?«
    »Wer hier aufgewachsen ist, kann zumindest schnitzen.«
    Die Verbindung wurde schwächer. »Gut«, sagte Arkadi rasch, »schicken Sie mir, was Sie an Unterlagen über die beiden haben.«
    »Konstantin Borodin ist Kostja der Bandit … « Die Stimme war sehr leise.
    »Nie von ihm gehört.«
    »In Sibirien ist er berühmt … «
    Zypin der Mörder begrüßte Arkadi in seiner Zelle im Lefortowo-Gefängnis. Er trug kein Hemd, aber seine für einen Urka typischen Tätowierungen bedeckten seinen Oberkörper bis zum Hals und die Arme bis hinunter zu den Handgelenken. Er hielt seine ohne den Gürtel rutschende Hose mit beiden Händen fest.
    »Sie haben mir sogar die Schuhbänder weggenommen. Als ob man sich mit seinen Schuhbändern aufhängen könnte! Ich hab wieder mal Pech gehabt. Gestern haben wir noch miteinander geredet, und ich bin ganz zufrieden gewesen. Heute kommen zwei Kerle auf der Auto-Strasse bei mir vorbei und versuchen mich auszurauben.«
    »Wo du Benzin verkauft hast?«
    »Richtig. Was sollte ich also tun? Einer der Kerle kriegt ‘nen Schraubenschlüssel auf den Kopf, dass er tot umfällt. Der andere fährt weg und im gleichen Augenblick hält ein Streifenwagen vor mir. Da steh ich nun mit dem Schraubenschlüssel in der Hand und ’nem Toten vor mir … Großer Gott, jetzt ist Zypin erledigt!«
    »Fünfzehn Jahre.«
    »Wenn ich Glück habe.« Zypin setzte sich auf seinen Hocker. Die übrige Einrichtung seiner Zelle bestand aus einer an der Wand festgeschraubten Pritsche und einem Waschgeschirr. Die Zellentür wies zwei Öffnungen auf: ein Guckloch für die Aufseher und eine Klappe, durch die das Essen hereingeschoben wurde.
    »Ich kann nichts für dich tun«, stellte Arkadi fest.
    »Ja, ich weiß. Diesmal hab ich Pech gehabt. Irgendwann hat jeder mal Pech, was?« Zypin setzte ein anderes Gesicht auf. »Hören Sie, Chefinspektor, ich hab Ihnen oft geholfen, nicht wahr? Ich hab Sie nie im Stich gelassen, weil wir uns gegenseitig geachtet haben.«
    »Und weil ich gut gezahlt habe.« Arkadi nahm seiner Feststellung die Spitze, indem er Zypin eine Zigarette gab.
    »Sie wissen, was ich meine.«
    »Ich kann dir nicht helfen, das musst du verstehen. Du wirst wegen Totschlags verknackt.«
    »Ich rede jetzt nicht von mir. Erinnern Sie sich an meinen Freund mit dem Spitznamen Schwan?«
    Arkadi erinnerte sich undeutlich an eine merkwürdige Gestalt, die sich bei mehreren Gesprächen mit Zypin im Hintergrund aufgehalten hatte.
    »Klar.«
    »Wir sind immer zusammengewesen - sogar in den Lagern. Ich bin der Geldverdiener gewesen, verstehen Sie? Schwan gerät ohne mich in finanzielle Schwierigkeiten. Ich meine, ich hab schon genügend Sorgen und will mir nicht noch seinetwegen den Kopf zerbrechen müssen. Sie brauchen einen Vertrauensmann. Schwan hat ein Telefon, sogar ein Auto, er wäre der richtige Mann für Sie. Na, was halten Sie davon? Versuchen Sie’s mal mit ihm?«
    Als der Chefinspektor das Gefängnis verließ, wartete Schwan unter der nächsten Strassenlaterne. Seine Lederjacke betonte seine schmalen Schultern, den langen Hals und den Bürstenhaarschnitt. In Arbeitslagern kam es oft vor, dass Berufsverbrecher sich kleine Ganoven als Freunde hielten, die dann von den übrigen Lagerinsassen als schwul verachtet wurden. Aber Schwan und Zypin waren ein richtiges Paar, eine Seltenheit, und niemand hätte gewagt, Schwan in Zypins Gegenwart als schwul zu bezeichnen.
    »Dein Freund hat vorgeschlagen, du könntest für mich arbeiten«, sagte Arkadi ohne sonderliche Begeisterung.
    »Dann tu ich’s.« Schwan wirkte eigenartig zart und zierlich wie eine abgestoßene Porzellanfigur, was um so verblüffender war, weil er keineswegs gut aussah. Sein Alter war schwer zu erraten; auch seine sanfte Stimme lieferte keinen Anhaltspunkt für eine Schätzung.
    »Allerdings ist auch mit brauchbaren Informationen nicht viel Geld zu verdienen«, warnte Arkadi ihn.
    »Vielleicht können Sie etwas für ihn tun, anstatt mir Geld zu geben.« Schwan sah

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