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Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
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Sonja war reuevoll, und er war großmütig. Sie war wütend, aber er war tolerant. Sie war zufällig in der Wohnung, und er überredete sie zum Bleiben. Alle Variationen endeten damit, dass er mit ihr ins Bett ging.
    Arkadi lief über den Hof, nahm je zwei Treppenstufen auf einmal und klopfte an die Wohnungstür.
    Dahinter klang es leer. Er sperrte auf und trat über die Schwelle.
    Sonja war zurückgekommen, das stand fest. Aus der Wohnung waren Tische und Stühle, Teppiche und Vorhänge, Bücher und Regale, Schallplatten und Stereoanlage, Porzellan, Gläser und Bestecke verschwunden. Im ersten der beiden Räume hatte sie lediglich den Kühlschrank zurückgelassen, der nicht einmal mehr die Eiswürfelschalen enthielt. Im zweiten Zimmer stand noch das Bett, so dass es als Schlafzimmer bezeichnet werden konnte. Arkadi erinnerte sich daran, wie mühsam es gewesen war, das Bett in den Raum zu schaffen. Sonja hatte nur das Bettlaken und die Decke zurückgelassen.
    Der Hörer lag neben dem Telefon - deshalb hatte Arkadi angenommen, sie sei zu Hause. Er legte ihn auf und setzte sich auf die Bettkante.
    Das Telefon klingelte. Sonja! dachte er. »Ja.«
    »Ist dort Chefinspektor Renko?«
    »Ja.«
    »In einer Wohnung in Serafimow zwei hat’s eine Schießerei gegeben. Ein gewisser Golodkin und der Kriminalbeamte Pawlowitsch sind tot.«
     
    Ein Milizionär führte den Chefinspektor die Treppe in den ersten Stock hinauf, an neugierigen Gesichtern hinter spaltbreit geöffneten Wohnungstüren vorbei und in Golodkins Wohnung:
    Zweieinhalb Zimmer, in der sich Kartons mit Scotch, Zigaretten, Schallplatten und Konservendosen auf dem unter mehreren Lagen Orientteppichen verschwindenden Fußboden türmten. Lewin war da und bohrte mit einer Art Pinzette in Golodkins Schädel herum. Pascha Pawlowitsch lag auf den Teppichen. Sein dunkler Mantel war auf dem Rücken nass, aber nicht zu nass; er musste sofort tot gewesen sein. Neben beiden Männern lag je eine Pistole.
    Ein Inspektor der örtlichen Miliz, den Arkadi nicht kannte, meldete sich mit den ersten Ermittlungsergebnissen.
    »Golodkin muss Pawlowitsch in den Rücken geschossen haben«, berichtete er, »und unser Kollege hat ihn dann offenbar erschossen, bevor er selbst zusammengebrochen ist. Die Nachbarn haben keine Schüsse gehört. Die Kugeln scheinen zu Pawlowitschs PM, seiner Dienstwaffe, und Golodkins TK zu passen, obwohl sie natürlich noch ballistisch untersucht werden müssen.«
    »Haben die Nachbarn jemand gesehen, der die Wohnung verlassen hat?« erkundigte Arkadi sich.
    »Niemand hat die Wohnung verlassen. Die beiden haben sich gegenseitig erschossen.«
    Arkadi sah zu Lewin hinüber, der seinem Blick auswich. »Pawlowitsch hat den anderen Mann nach einer Vernehmung hergebracht«, stellte Arkadi fest. »Haben Sie den Kollegen durchsucht? Haben Sie in seinen Taschen Tonbandspulen gefunden?«
    »Wir haben ihn durchsucht«, antwortete der Inspektor. »Wir haben keine Tonbandspulen gefunden.«
    »Haben Sie irgend etwas aus der Wohnung entfernt?«
    »Nein, nichts.«
    Arkadi streifte durch Golodkins Wohnung, suchte den mit Ikonen besetzten Schrein, warf ganze Stapel von Parkas und ein Dutzend Skier aus den Kleiderschränken und schnitt Kartons mit französischer Seife auf. Der Inspektor beobachtete ihn wie erstarrt - nicht nur aus Angst, schadenersatzpflichtig gemacht werden zu können, sondern aus Entsetzen über diesen Umgang mit solchen Kostbarkeiten. Als Arkadi schließlich seine Suche aufgab und sich erneut über den toten Kriminalbeamten beugte, wies der Inspektor seine Milizionäre an, mit dem Abtransport der Waren zu beginnen.
    Der tödliche Kopfschuss hatte Golodkins Stirn zerschmettert. Pascha lag mit friedlich geschlossenen Augen da. Sein männlichhübsches Tatarengesicht ruhte auf kostbaren Seidenfäden: ein schlummernder Reiter auf einem fliegenden Teppich. Golodkins Schrein war verschwunden, die Tonbänder mit Golodkins Geständnis waren gestohlen worden, Golodkin war tot.
    Der Silbersee nördlich von Moskau war noch zugefroren; lediglich Jamskois Datscha am Ufer war um diese Zeit bewohnt. Arkadi parkte hinter einem Tschaika, ging zum Hintereingang des Hauses und klopfte an die Tür. Der Staatsanwalt erschien an einem Fenster, gab ihm ein Zeichen, er solle warten, und kam wenige Minuten später wie ein Bojar mit Pelzmantel und stiefeln aus dem Haus. Er stapfte das Seeufer entlang. »Was fällt Ihnen ein, mich am Wochenende zu stören?« fragte er irritiert.
    »Sie

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