Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Gorki Park

Gorki Park

Titel: Gorki Park Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Cruz-Smith
Vom Netzwerk:
dass Tschutschin fachlich sehr viel weniger leistet als Sie. Angesichts seines Mangels an Erfahrung und des Erfolgszwangs, unter dem er in diesem ersten Fall steht, bleibt ihm praktisch nichts anderes übrig, als Golodkin die Morde im Gorki-Park in die Schuhe zu schieben. Da Golodkin tot ist, könnten die Ermittlungen schon in wenigen Tagen abgeschlossen werden …
    Sie sehen selbst, wie alles zusammenpasst. Aber wie ich unseren Tschutschin kenne, wird er noch versuchen, der Sache seinen eigenen Stempel aufzudrücken. Ich traue ihm durchaus zu, dass er den toten Pawlowitsch als Golodkins Komplizen hinstellt. Dann wären die beiden bei einem Streit um die Verteilung der Beute umgekommen. Das würde er tun, um Sie zu kränken, denn durch Ihre Schuld hat er seinen besten Informanten verloren. Ja, das traue ich ihm durchaus zu! Als Staatsanwalt habe ich schon oft als einen faszinierenden Aspekt der menschlichen Natur empfunden, dass der gleiche Fall von verschiedenen Beamten unterschiedlich gelöst werden kann. Wobei die Lösungen durchaus gleichwertig sind. Entschuldigen Sie.«
    Damit war Arkadis Rücktrittsangebot zunächst abgewehrt. Der Chefinspektor blieb unschlüssig stehen, während Jamskoi seinen leeren Eimer holte. Die Gänse flogen nicht auf, sondern watschelten nur übers Eis davon, bis sie einige Meter mehr zwischen sich und den Mann gebracht hatten. Jamskoi kam mit dem Eimer in der Hand zu dem Schuppen zurück.
    »Warum legen Sie so großen Wert darauf, dass ich den Fall weiterbearbeite?« fragte Arkadi.
    »Weil Sie - von Ihren Mätzchen abgesehen - der beste Kriminalbeamte sind, den ich habe. Es ist meine Pflicht, Sie die Ermittlungen weiterführen zu lassen.« Der Staatsanwalt war freundlich.
    »Falls dieser Amerikaner die Morde im Gorki-Park … «
    »Bringen Sie mir Beweise dafür«, unterbrach Jamskoi ihn, »dann stellen wir den Haftbefehl gemeinsam aus.«
    »Falls der Amerikaner der Täter gewesen ist, bleiben mir nur noch neun Tage Zeit. Er reist voraussichtlich am dreißigsten April ab.«
    »Vielleicht sind Sie mit Ihren Ermittlungen schon weiter, als Sie wissen.«
    »Nur neun Tage … Das ist nicht zu schaffen!«
    »Tun Sie, was Sie für richtig halten, Chefinspektor. Sie sind sehr begabt, und ich habe weiterhin Vertrauen zu Ihnen und Ihrer Arbeit. Und ich habe mehr Vertrauen zu unserem System als Sie.«
    Jamskoi öffnete die Tür, um den Eimer in den Schuppen zurückzustellen. »Auch Sie müssen unserem System vertrauen.«
    Bevor die Tür ins Schloss fiel, sah Arkadi im Halbdunkel des Schuppens zwei Gänse mit zusammengebundenen Beinen und gebrochenen Hälsen baumeln. Sie sollten dort offenbar abhängen, bis sie bratfertig waren. Suschkingänse waren streng geschützt; Arkadi begriff nicht, warum ein Mann wie Jamskoi es riskierte, sie zu jagen. Er sah wieder zum Seeufer hinüber, wo die Gänse sich um einen möglichst großen Anteil am Futter des Staatsanwalts stritten.
     
    Arkadi fuhr ins Ukraina zurück und machte sich über eine Flasche Wodka her, bevor ihm der Briefumschlag auffiel, den jemand unter der Tür durchgeschoben hatte. Er riss ihn auf und las die Mitteilung, dass Pascha und Golodkin jeweils aus Entfernungen von weniger als einem halben Meter erschossen worden seien. Ein schönes Duell: ein Mann von hinten erschossen, der andere mit einem Kopfschuss getötet, die Leichen drei Meter voneinander entfernt. Lewins Unterschrift fehlte, was den Chefinspektor nicht wunderte.
    Wer hatte Pascha und Golodkin nach Serafimow zwei verfolgt? Wer hatte an die Wohnungstür geklopft und einen Ausweis vorgezeigt, der Pascha zufriedengestellt und Golodkin beeindruckt hatte?
    Wahrscheinlich waren es zwei Männer. Ein Mann wäre nicht schnell genug gewesen - und drei Männer hätten selbst den vertrauensseligen Pascha misstrauisch gemacht. Wer hatte dann Pascha von hinten erschossen, seine Dienstwaffe genommen und den vor Angst und Unterwürfigkeit erstarrten Golodkin ermordet? Alles deutete auf Pribluda hin. Osborne war ein KGB-Spitzel. Major Pribluda wollte Osborne decken und dessen Verbindung zum KGB tarnen, aber beides ließ sich nur aus Distanz tun. Sobald Pribluda die Ermittlungen an sich zog, gab der KGB zu, dass ein oder mehrere Ausländer in diesen Fall verwickelt waren. Die betreffende Botschaft - die amerikanische Botschaft - würde sich veranlasst sehen, eigene Nachforschungen anzustellen. Nein, die Ermittlungen mussten vom Chef der Mordkommission bei der Staatsanwaltschaft fortgeführt

Weitere Kostenlose Bücher