Gorki Park
gründliche Säuberungen gegeben, aber im Grunde genommen haben wir alle am gleichen Strang gezogen. Heutzutage …« Below schüttelte den Kopf. So freimütig hatte der Alte sich Arkadi noch nie offenbart. »Die Kulturministerin wird wegen Bestechlichkeit entlassen, sie ist Millionärin geworden, sie hat sich Luxusvillen gebaut. Eine Ministerin! Sind wir denn nicht angetreten, um das alles zu ändern?«
Bei Mosfilm war ein weiterer Tag mit Außenaufnahmen zu Ende gegangen.
Arkadi folgte Irina Asanowa durch einen Szenenaufbau mit einem Blockhaus und Birken. Trotz der Warntafel Rauchverbot rauchte die junge Frau eine billige Papirossa in einer alten lackierten Zigarettenspitze. Ihre schäbige Afghanjacke stand offen und ließ erkennen, dass sie darunter ein billiges Baumwollfähnchen trug. Um den Hals hatte sie einen Kugelschreiber an einer Kordel hängen, die ihren schlanken Hals vorteilhaft betonte. Ihr langes braunes Haar fiel auf die Schultern, und ihre Augen, fast auf gleicher Höhe mit Arkadis, erwiderten unerschrocken seinen Blick. Das blaue Mal auf ihrer Wange verschwand unter einem rötlichen Schimmer, der nicht von der untergehenden Sonne kam.
Das war die Glut, die Tolstoi auf den Gesichtern der Kanoniere bei Borodino beschrieben hatte: eine hektische Röte, als die Schlacht unmittelbar bevorstand.
»Valeria Dawidowa und ihr Liebhaber Kostja Borodin stammten aus der Umgebung von Irkutsk«, stellte Arkadi fest. »Sie kommen aus Irkutsk, Sie waren Valerias beste Freundin. Sie haben ihr von hier aus geschrieben, und sie hat Ihre >verlorenen< Schlittschuhe getragen, als sie hier ermordet worden ist.«
»Wollen Sie mich verhaften?« fragte Irina Asanowa. »Ich habe Jura studiert und kenne die gesetzlichen Bestimmungen so gut wie Sie. Um mich zu verhaften, hätten Sie einen Milizionär mitbringen müssen.«
»Das haben Sie mir schon mal erklärt. Der Mann, der gemeinsam mit Valeria und Kostja ermordet worden ist, war ein Amerikaner namens James Kirwill. Sie haben Kirwill von der Universität her gekannt. Warum belügen Sie mich ständig?«
Sie wich seinen Fragen auch körperlich aus und führte ihn um das nur scheinbar massive Blockhaus herum. Bei all ihrer gezeigten Überlegenheit hatte Arkadi das Gefühl, ein scheues Stück Wild zu stellen.
»Das brauchen Sie nicht persönlich zu nehmen.« Sie drehte sich nach ihm um. »Ihresgleichen belüge ich grundsätzlich.«
»Warum?«
»Ich behandle Sie, wie ich einen Leprakranken behandeln würde. Sie haben eine ansteckende Krankheit. Sie gehören einer leprösen Organisation an. Ich will nicht angesteckt werden.«
»Haben Sie Jura studiert, um leprakrank zu werden?«
»Ich wollte Rechtsanwältin werden. Gewissermaßen eine Ärztin zum Schutz der Gesunden vor Kranken.«
»Aber wir sprechen von Morden, nicht von Krankheiten.« Arkadi zündete sich eine Zigarette an. »Sie sind sehr tapfer. Sie stellen sich vor, dass eine Art Berija hierher kommt und vor Ihren Augen ein Baby frisst. Ich muss Sie enttäuschen; ich bin nur hier, um den Mörder Ihrer Freunde zu finden.«
»Jetzt belügen Sie mich. Sie interessieren sich lediglich für Leichen, nicht für irgend jemandes Freunde. Ihre Freunde sind Ihnen vielleicht etwas wert; meine bestimmt nicht.«
Ihr Vorwurf traf ins Schwarze. Arkadi musste sich eingestehen, dass er nur um Paschas willen erneut in die Filmstudios gekommen war. Er wechselte das Thema. »Ich habe mir Ihre Akte bei der Miliz angesehen. Wegen welcher antisowjetischen Äußerung sind Sie von der Universität geflogen?«
»Als ob Sie das nicht wüssten!«
»Tun wir einfach so, als wüsste ich nichts«, schlug Arkadi vor.
Irina Asanowa stand einen Augenblick unbeweglich da, wie er sie beim ersten Besuch gesehen hatte: so selbstbewusst oder in sich selbst versunken, dass sie die Welt um sich herum kaum wahrzunehmen schien.
»Ihre Kollegen vom Geheimdienst sind mir lieber, glaube ich«, sagte sie nach einer Pause. »Eine Frau zu ohrfeigen ist zumindest ehrlich, ihre Masche, Ihre geheuchelte Besorgnis beweist eine Charakterschwäche.«
»Sie wollten mir erzählen, was Sie an der Universität gesagt haben.«
»Gut, Sie sollen hören, was ich an der Universität gesagt habe. Ich habe mich in der Mensa mit Freunden unterhalten und dabei geäußert, dass ich alles menschenmögliche tun würde, um aus der Sowjetunion rauszukommen. Am Nebentisch haben irgendwelche Komsomolspitzel mitgehört und mich angezeigt. Daraufhin bin ich relegiert
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