Gorki Park
Blick für einen Putzlappen gehalten hatte. Er hielt ein Kopftuch in der Hand.
Die Eisentür vor ihm trug die warnende Aufschrift Vorsicht! Lebensgefahr! Arkadi stieß sie auf und betrat den U-Bahntunnel. Er befand sich auf einem eisernen Laufgang gut anderthalb Meter über den Gleisen. Vom Bahnsteig her fiel noch soviel Licht in den Tunnel, dass Arkadi erkennen konnte, was unter ihm passierte. Irina Asanowa lag auf dem Gleis; ihr Mund und die blicklosen Augen standen offen, während ein Mann in Hut und Mantel ihre Beine streckte. Der zweite Mann sprang Arkadi auf dem Eisensteg an und holte mit einem Totschläger gegen ihn aus.
Arkadi fing zwei Hiebe mit dem linken Arm ab, der danach unterhalb des Ellbogens taub war. Aber er hatte im Gorki-Park etwas dazugelernt. Als der andere ausholte, um seinen Kopf zu treffen, rammte Arkadi ihm sein Knie in den Unterleib. Der Angreifer klappte mit einem erstickten Aufschrei zusammen und ließ seine Waffe fallen. Arkadi riss den Totschläger an sich und schlug zu. Der Mann, der sich eben wieder aufrichten wollte, sank nach vorn auf die Knie und hielt sich benommen seine blutende Nase. Arkadi sah die Gleise entlang zu der weit entfernten Bahnsteiguhr hinüber und war überrascht, wie gut er sie ablesen konnte. Sie zeigte 0:27 Minuten an.
Der Mann auf dem Gleis beobachtete den Kampf über ihm mit der leichten Verärgerung eines Geschäftsführers, dessen Verkäufer von einem unverschämten Kunden zur Seite geschoben worden ist. Sein mit Narben bedecktes Gesicht verriet den Profi. In der rechten Hand hielt er eine TK mit kurzem Lauf - die Taschenwaffe des KGB -, die auf Arkadis Brust gerichtet war. Irina bewegte sich nicht. Arkadi konnte nicht beurteilen, ob sie noch lebte.
»Nein«, sagte der Chefinspektor und wies mit dem Daumen auf den beleuchteten Bahnsteig. »Das hören alle.«
Der Mann unter ihm nickte zustimmend, steckte seine Pistole ein, warf einen Blick auf die Digitaluhr und sagte gelassen: »Du kommst sowieso zu spät. Also verschwinde!«
»Nein!«
Arkadi hatte geglaubt, den anderen zumindest daran hindern zu können, den Laufgang zu erklettern; aber der Mann zog sich mit kraftvollem Schwung am Geländer hoch und stand Arkadi im nächsten Augenblick gegenüber. Arkadi holte mit dem Totschläger aus, streifte jedoch nur seinen Mantel und wurde von einem Tritt in den Magen getroffen, dass er sich zusammenkrümmte. Der Mann zwängte sich an seinem außer Gefecht gesetzten Kollegen vorbei und setzte dem zurückweichenden Arkadi, der den Totschläger verloren hatte, unbarmherzig weiter zu. Aber seine Hände und Füße waren nicht so hart wie die Kirwills, und er gab sich mehr Blößen als der Amerikaner im Gorki-Park. Arkadi wartete seine Chance ab, bekam ein Bein zu fassen und riss es hoch. Der Mann umklammerte das Geländer, um nicht das Gleichgewicht zu verlieren. Arkadi traf ihn mit zwei kurzen Geraden, nach denen der andere zu Boden ging. Aber er war zäh: Er rappelte sich sofort wieder auf, sprang Arkadi an, und beide kippten eng umklammert über das Geländer aufs Gleis.
Arkadi blieb benommen liegen. Der andere sprang katzengleich hoch, erklomm den Lauf gang und zog seinen Kollegen hinter sich her zum Ausgang. Arkadi sah die Digitaluhr von 0:29 auf 0:30 springen, wandte den Kopf auf die andere Seite und starrte in zwei näherkommende Scheinwerfer.
Farbige Reflexe tanzten über die Tunnelwände. Er spürte den Fahrtwind des einfahrenden Zuges und das Beben des Gleises unter sich.
Irmas Hände waren schlaff und auffällig heiß. Er riss ihren Körper an den Armen hoch und versuchte, dem gleißenden Scheinwerferlicht auszuweichen. Irinas Arme fielen kraftlos herab, als er die Bewusstlose über eine Schulter nahm. Bremsen kreischten, als der U-Bahnfahrer eine Notbremsung versuchte.
Arkadi schob Irina auf den Laufgang und drückte sich flach gegen die Tunnelwand.
Als Lewin ihm die Wohnungstür öffnete, trug Arkadi Irina ins Wohnzimmer und legte sie dort aufs Sofa.
»Sie ist niedergeschlagen worden oder hat eine Spritze gekriegt«, erklärte er dem Pathologen. »Ich hab mich noch nicht um sie kümmern können.«
Lewin trug einen alten Bademantel über dem Schlafanzug. Seine knochigen Füße steckten in ausgetretenen Pantoffeln. Er überlegte offensichtlich, ob er Arkadi wegschicken sollte oder nicht.
»Ich bin nicht beschattet worden«, versicherte der Chefinspektor ihm.
»Wollen Sie mich beleidigen?« Lewin war zu einem Entschluss gelangt, zog seinen
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