Gotland: Kriminalroman (German Edition)
gesagt hat?«
Plötzlich blitzte es in Jesper Manns Augen.
»Mir ist gerade etwas eingefallen: Ich habe mal eine ziemlich negative Bemerkung über meinen Vater fallen gelassen, und Rickard fing sofort an, seinen eigenen Vater zu verteidigen. Kann natürlich sein, dass ich mich etwas allgemein ausgedrückt hatte, als würde ich alle Väter auf der Welt meinen, aber er konnte jedenfalls nicht gut damit umgehen.«
»Wissen Sie noch, worum es ging?«
»Nein, vermutlich hatte es mit der Einstellung meines Vaters zu meinem sogenannten Lebensstil zu tun. In Bezug auf meinen Vater ist das mein Lieblingsthema.«
»Glauben Sie, sein Vater ist schuld, dass er sich nicht outet?«
»Ist das nicht immer so?«, lachte Jesper.
Er rekelte sich und sah auf die Uhr, als wolle er andeuten, dass das Verhör nun lange genug gedauert hatte. Fast wäre er vom Sofa aufgestanden.
»Was wissen Sie über Rickards Drogenkonsum?«, fragte Fredrik.
Jesper machte große Augen. Fredrik konnte nicht verhehlen, dass es ihn befriedigte zu beobachten, wie Jesper Manns Körperhaltung sich deutlich straffte.
»Drogen? Keine Ahnung. Das glaube ich nicht. Er hat natürlich Alkohol getrunken, falls Sie das meinen.«
»Wenn ich Alkohol gemeint hätte, hätte ich das auch gesagt.«
»Aha. Nein, soweit ich weiß, nimmt er keine Drogen. Aber wie gesagt, ich kenne ihn nicht gut.«
Fredrik machte ein fragendes Gesicht, und Jesper guckte fragend zurück.
»Ich habe Ihre E-Mails gelesen. Man braucht kein Superhirn zu sein, um die kleinen Codewörter zu entschlüsseln.«
»Codewörter?«
»Ja.«
»Dass Sie fremde E-Mails lesen, ist eine Sache …«
Er machte eine flatternde Bewegung mit der rechten Hand.
»… aber dass man sich nicht so ausdrücken darf, wie man will, also …« Er lachte verkrampft.
»Wenn ich diese Wohnung durchsuchen lasse, finden wir bestimmt genug Gründe, Sie für einige Tage in Untersuchungshaft zu nehmen, vor allem wenn wir die Verzweigungen Ihrer Geschäftstätigkeit näher untersuchen.«
»Ich betreibe kein Geschäft!« Jesper Mann machte ein erschrockenes Gesicht.
Fredrik fragte sich insgeheim, ob er den jungen Mann zu hart angefasst hatte. Er hatte ihn ein bisschen verunsichern wollen, damit er seine Fragen beantwortete, aber er wollte ihm keine Angst einjagen.
»Das können wir ja nicht wissen, solange wir die Sache nicht untersucht haben«, sagte er trocken.
Jesper Mann schien sich ein wenig zu beruhigen, hielt sich aber immer noch mit der linken Hand am Polster fest.
»Er hat Partydrogen genommen.«
»Zum Beispiel?«
»Ecstasy, Amphetamin, Kokain ab und zu.«
»Das ist ja eine ganze Menge.«
»Wie gesagt, wir haben uns seit dem letzten Sommer höchstens einmal im Monat gesehen, und deshalb kann ich Ihnen eigentlich gar nicht sagen, wie viel er konsumiert hat.«
»Aber wenn Sie verabredet waren, nahm er Drogen?«
»Ja, dann war er meistens high.«
»Aber Sie wissen nicht, wie es sonst war?«
»Nein, aber er war kein Junkie, wenn Sie mich fragen.«
Fredrik hatte zwar den Eindruck, Jesper hätte Rickard soeben als solchen beschrieben, aber sie lebten offensichtlich in zwei verschiedenen Welten. Ob man ein Drogenabhängiger war oder nicht, hatte offenbar auch mit dem Lebensstil zu tun.
»Ich werde Sie nicht fragen, wie er an die Drogen gekommen ist, weil es zumindest momentan keine Bedeutung für unsere Ermittlungen hat. Aber vielleicht kommen wir noch einmal darauf zurück.«
Draußen auf der kleinen Gasse fragte sich Fredrik, wie viele Schritte er wohl schaffen würde, bis Jesper seinen Drogenvorrat im Klo hinuntergespült hatte.
Nach dreißig Schritten auf dem Kopfsteinpflaster kam er an der Stelle vorbei, wo er vor einer halben Stunde mit Eva telefoniert hatte. Plötzlich kam ihm ein ganz anderer Gedanke.
In dem Gespräch mit Eva hatte er behauptet, dass es Arvid Traneus nichts genützt hätte, die Morde an Kristina und Anders zu vertuschen – falls er derjenige war, der sie verübt hatte. Man hätte sie ohnehin nach kürzester Zeit vermisst, und Arvid wäre der Hauptverdächtige gewesen. Doch wer hätte die beiden vermisst? Wer hätte Kristina vermisst? Wer würde sie telefonisch zu erreichen versuchen? Wer würde ins Auto steigen, um in Levide nach dem Rechten zu sehen, mit dem eigenen Schlüssel ins Haus kommen und die beiden Toten im Wohnzimmer finden?
Rickard Traneus.
Das hätte nur Rickard Traneus sein können. Stattdessen entdeckte die Putzfrau die beiden zwei Tage nach ihrem Tod, als
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