Gotland: Kriminalroman (German Edition)
das Blut bereits zu schwarzen Inseln auf dem Parkett geronnen war.
Fredrik hatte sich gewundert, dass Rickard Traneus nicht mehr Kontakt zu seinen Eltern gehabt hatte, obwohl sein Vater gerade aus Tokio zurückgekommen war. Abgesehen von einigen kurzen Besuchen war der Vater drei Jahre fort gewesen, und als er nach Hause kommt, telefoniert der Sohn nur einmal mit ihm? Für den Freitagabend ist ein Essen im Kreis der Familie geplant, die Schwester will dafür aus Stockholm kommen. Ab Montag hört Rickard keinen Mucks mehr von seinen Eltern und versucht auch nicht, sie zu erreichen? Und er fährt auch nicht vorbei, um seinen Vater zu begrüßen, obwohl er nur wenige Kilometer entfernt wohnt? War das nicht alles ein bisschen seltsam?
Es ließ sich natürlich mit den schwierigen Familienverhältnissen erklären. Aber vielleicht wusste Rickard Traneus auch, dass in Levide niemand ans Telefon gehen würde.
53
Göran empfing Elin Traneus in seinem Büro. Gemessen an dem, was sie in den letzten Wochen durchgemacht hatte, sah sie gefasst und entschlossen aus.
Sie setzte sich mit dem Rücken zum Fenster auf den Besucherstuhl, er nahm ihr gegenüber Platz.
»Wie schön, dass Sie einen Moment Zeit haben. Ich hielt es für eine gute Idee, noch einmal mit Ihnen zu sprechen, bevor Sie aufs Festland verschwinden.«
Elin seufzte, doch es hörte sich an wie ein optimistisches Seufzen oder ein langes ruhiges Ausatmen.
»Ich muss zurück. Das ist am besten. Hier kann ich sowieso nichts tun, und bis zur Beerdigung dauert es ja noch eine Weile.«
»Es steht Ihnen frei, Gotland zu verlassen. Ich wäre Ihnen allerdings dankbar, wenn Sie mit uns in Kontakt bleiben würden. Es wäre gut, wenn wir Sie jederzeit erreichen könnten.«
»Ich will nirgendwohin, nur nach Hause, damit ich weiterstudieren kann. Die nächsten fünf Jahre erreichen Sie mich unter meiner jetzigen Adresse.«
Sie lächelte. Es war merkwürdig, doch schon als Elin Traneus eingetreten war, hatte Göran das Gefühl gehabt, dass sie einen Schlussstrich unter die ganze Sache ziehen wollte. Dabei waren sie mittendrin in der Geschichte. Er wusste nicht genau, was das zu bedeuten hatte.
»Hoffen wir, dass wir den Fall nun bald lösen«, sagte er.
»Ja.« Elin fummelte an der Sporttasche herum, die sie neben sich gestellt hatte.
Wieder kam er nicht umhin, sich zu fragen, wie sie es aushielt, vor ihm zu sitzen und seine Fragen zu beantworten. Woher nahm sie die Kraft? Sie hatte beide Eltern auf eine Art verloren, die ihr eigentlich keine ruhige Minute lassen dürfte. Aber so etwas hatte er schon öfter erlebt. Manche Menschen hielten den schrecklichsten Umständen stand, aber es war ihm jedes Mal ein Rätsel. Man rappelte sich auf und tat, was man tun musste. Das Leben ging weiter, überwältigend und jämmerlich zugleich.
»Als Ihre Schwester Stefania fünfzehn oder sechzehn Jahre alt war, soll sie einen Freund namens Leo gehabt haben. Können Sie sich an ihn erinnern?«
»Leo, klar.«
»Sie waren erst acht oder neun.«
»Ja, aber es gab ziemlich viel … Krach seinetwegen.«
»In welcher Hinsicht?«
»Mama wollte nicht, dass sie mit ihm ging, was man ja auch verstehen kann. Allerdings weiß ich nicht genau, wie er damals war.«
»Wie meinen Sie das?«
»Es ist ja nicht so toll für ihn gelaufen, wobei das …, ich meine, das kann ja auch später angefangen haben.«
»Ist zwischen Stefania und Leo irgendetwas vorgefallen?«
»Soweit ich weiß, nicht. Meine Eltern mochten ihn einfach nicht.«
Sie ließ den Schulterriemen ihrer Tasche auf den Boden fallen. Ihr Gesichtsausdruck verriet nicht, was sie für die tote Schwester empfand. Vielleicht hatte sie deren Tod inzwischen verarbeitet. Zehn Jahre war es jetzt her.
»Ihr Vater wollte also auch nicht, dass sie mit Leo zusammen war?«
»Nein, aber ich glaube, Mama war diejenige … also, damals habe ich das natürlich nicht verstanden, erst später, nachdem ich mit meiner Mutter darüber geredet hatte. Papa war allgemein dagegen. Der Gedanke, dass Stefania einen Freund haben könnte, gefiel ihm generell nicht. Aber Mama war diejenige, die Leo nicht mochte. Ich glaube, sie lag Papa damit in den Ohren, und dann hat er der Sache ein Ende bereitet.«
»Wie hat er das gemacht?«
»Leo durfte nicht mehr kommen.«
»Sie hätten sich doch auch woanders treffen können.«
»Stefania war in der neunten Klasse. Sie hätte sich bestimmt nicht dagegen aufgelehnt«, sagte Elin.
»Nein …«
»Mein Vater war
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