Gotland: Kriminalroman (German Edition)
war irritiert, weil ihr Urgroßvater überhaupt keine Notiz von ihr zu nehmen schien.
Mit leerem Blick sah Rune Traneus seine Enkelin an.
»Was ist denn bloß los, Opa?« Als Sofia Traneus merkte, dass sie keine Antwort bekam, wendete sie sich fragend an Fredrik.
Fredrik und Gustav hatten bereits ihre Dienstmarken hervorgeholt und stellten sich vor.
»Wenn Sie hier so reinplatzen, bekomme ich das Gefühl, es wäre etwas Schreckliches passiert. Etwas, das ich gar nicht hören will.«
Sie drückte das Baby etwas fester an sich.
»Es ist etwas Schlimmes passiert, aber wir wissen noch nicht, ob es etwas mit Ihnen zu tun hat. Aber wenn Sie uns helfen, werden wir es schon herausbekommen«, sagte Fredrik. »Dürfen wir hereinkommen?«
»Ja, ja, kommen Sie.«
Ihr Gesichtsausdruck veränderte sich. Das anfängliche Erstaunen wich der Vorahnung einer Katastrophe. Ihr Blick war nach innen gerichtet und gleichzeitig vollkommen blank. Fredrik hatte diese Verwandlung schon oft gesehen.
Sie gingen in die sonnige Küche. Das Mädchen klammerte sich noch immer an die Jeans der Mutter. Rune Traneus wurde auf einen der Küchenstühle gesetzt. Fredrik erklärte kurz den Grund ihres Besuchs, wobei er sich aus Rücksicht auf die Dreijährige so schonend und kryptisch wie möglich ausdrückte.
»Anscheinend glaubt Ihr Großvater, einer der Toten sei Ihr Vater. Warum, wissen wir nicht. Es gibt auch keinen konkreten Hinweis darauf, dass diese Annahme zutrifft.«
Rune Traneus schüttelte schwerfällig den Kopf. Irgendetwas hatte er offenbar doch mitbekommen. Sofia sah ihn mit feuchten Augen an, sank auf einen Stuhl und flüsterte: »Großvater?«
Dass das Auto von Anders Traneus vor dem Haus stand, erwähnte Frederik nicht. Sofia Traneus war schon aufgeregt genug.
»Haben Sie eine Ahnung, warum Ihr Großvater das glaubt?«
Sofia sah Fredrik an. Offensichtlich hatte sie keinen blassen Schimmer.
Das Mädchen kletterte ihr auf den Schoß. Nun saß sie mit zwei Kindern beladen da. Die Dreijährige lehnte den Kopf an die Brust ihrer Mutter, umklammerte ihren Arm und linste schüchtern zu ihrem Urgroßvater hinüber.
»Mama?«
»Keine Angst, meine Süße. Mama will sich nur ein bisschen mit den Onkeln unterhalten.«
Fredrik betrachtete die drei Generationen am Tisch und verwarf den Plan, ein richtiges Verhör mit der Frau zu führen. Es war der falsche Zeitpunkt.
»Haben Sie ein Foto von Ihrem Vater? Möglichst aktuell. Das wäre eine große Hilfe.« Wieder kam ihm das verunstaltete Gesicht in den Sinn. Würde ihnen ein Foto überhaupt etwas nützen?
Sofia nickte und stand auf. Das Mädchen rutschte von ihrem Schoß hinunter und schlang beide Arme um das rechte Bein der Mutter.
»Bestimmt.«
Mit der Tochter am Bein, die sich wie ein Äffchen festklammerte, schlurfte sie hinaus.
»Ach, Emma«, seufzte sie hilflos und schleppte sich weiter.
Fredrik und Gustav sahen sich an. Im selben Augenblick ertönte ein lauter Knall. Rune Traneus hatte mit der Faust auf den Tisch geschlagen.
»Dieses Schwein. Er ist ein Schwein. Er und sein verfluchter Vater. Mörder.«
»Mama!« Aus dem Nebenzimmer war ein entsetzter Schrei zu hören. Dann fing das Mädchen an zu weinen.
Rune Traneus stand nun vor Fredrik und Gustav und starrte sie an. Er schrie die Worte hinaus, doch seine Schreie blieben stumm. Eine große seelische Qual schien ihm die Luft zu nehmen.
Gustav eilte auf Rune zu, um einen erneuten Zornausbruch zu verhindern, aber es war bereits vorbei. Rune Traneus stand wie versteinert da. Sein Blick drückte Verwirrung aus, die bläuliche Unterlippe zitterte. Ein zerbrechlicher alter Mann. Behutsam ergriff Gustav seinen linken Arm und führte ihn wieder zu dem Stuhl.
»Ich gehe da rein«, sagte Fredrik leise.
Im Wohnzimmer hockte Sofia Traneus auf dem Fußboden und tröstete ihre schluchzende Tochter, die vom Weinen schon ganz rote Wangen hatte.
Sofia blickte mit sorgenvoll aufgerissenen Augen zu ihm auf.
»Machen Sie sich keine Sorgen, im Moment besteht keine Gefahr … aber vorhin, vor dem Haus in Levide, war Rune sehr aufgewühlt. Schaffen Sie das? Haben Sie jemanden, der Ihnen helfen könnte? Vielleicht sollten wir ihn mitnehmen. Zu einem Arzt, meine ich.«
Sie überlegte eine Weile. »Ich komme zurecht. Ich rufe meinen Mann an, er kann in fünf Minuten hier sein.«
»Und Rune?«
»Es ist besser, wenn er hierbleibt.«
»Das Foto«, erinnerte er sie. »Hätten Sie eines? Wir könnten natürlich auch ein Passfoto
Weitere Kostenlose Bücher