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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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nehmen.«
    »Nein, ich weiß, wo ich eines habe.«
    Sie befreite sich von Emma und setzte sie neben das Baby aufs Sofa. Das Mädchen blieb artig sitzen. Mit schnellen Schritten ging Sofia zum Bücherregal und öffnete den Unterschrank.
    »Hier.« Sie zeigte ihm ein Fotoalbum aus dunkelrotem Kunstleder.
    Es war ein Gruppenbild. Fünf Personen hatten sich vor der Kamera aufgereiht. Fredrik erkannte Sofia und Rune sofort. Die Frau auf dem Bild war fast noch ein Kind, höchstens achtzehn oder neunzehn Jahre alt.
    »Das ist zwar fünf Jahre her, aber Papa hat sich kaum verändert. Das sind mein Bruder und meine Mutter. Es wurde an Papas Geburtstag aufgenommen. Zwei Monate später haben sie sich getrennt.«
    Sie schob einen ihrer klar lackierten Fingernägel unter die Bildkante.
    »Die Frage ist nur, ob es abgeht.«
    Fredrik hätte beinahe gefragt, ob er das ganze Album ausleihen könnte, damit das Foto nicht kaputtging, wenn es sich vom schwarzen Karton löste.
    Sie reichte ihm das Bild. Er nahm es, mehr aus Rücksicht auf Sofia, vorsichtig an den Rändern.
    »Hat Ihr Vater besondere Merkmale? Narben, Tätowierungen oder Ähnliches?«
    Sie lachte. »Tätowierungen?«
    »Zum Beispiel.«
    Sie schüttelte den Kopf und sah Fredrik so skeptisch an, als hätte er etwas Unanständiges von ihr verlangt.
    »Da fragen Sie wohl besser meine Mutter.«

Dienstag, 31. Oktober,
Gotland
     
    In der schmutzig grauen Dämmerung fuhr Ninni von Havdhem nach Hablingbo. Die Straße war nass vom Sprühregen. Wasser spritzte von den Reifen auf, und sie hatte die Scheibenwischer auf das langsamste Intervall eingestellt.
    Sie fuhr schnell. Viel zu schnell für die kurvige Strecke, fand sie und ging vom Gas. Ihr durfte nicht auch noch etwas passieren. Sie musste auf sich aufpassen. Stark sein. Doch woher sollte sie die Kraft nehmen?
    Sie hatte Simon und Joakim bei Anneli im Karlbergsvägen zurückgelassen und war für einen Tag nach Gotland gefahren, um ein paar berufliche Dinge zu regeln. Vielleicht auch nur, um durchzuatmen. Um eine Weile nicht stark sein zu müssen. Vielleicht, um zusammenzubrechen. Sie wusste es nicht genau. Es gab so viel zu überlegen, so viel Verantwortung. Wie lange konnten sie in Stockholm bleiben? Was war das Beste für die Kinder? Wie lange durften sie in der Schule fehlen? Wie lange würde es dauern, bis Fredrik nach Visby verlegt werden konnte? Gab es dort überhaupt die medizinische Versorgung, die er brauchte? Sollte sie besser mit den Kindern umziehen?
    Auf dem Parkplatz der Högby-Schule hatte sie sich ins Auto gesetzt. Eigentlich wollte sie nach Hause, doch dann war sie einfach weiter nach Süden gefahren, und nun war sie auf dem Weg nach Hablingbo. Nein, das stimmte nicht. Sie fuhr einfach. Sie war irgendwo zwischen Havdhem und Hablingbo, genauer ließ es sich nicht beschreiben.
    Ihre Haare hatte sie hochgesteckt, damit man nicht sah, wie strohig und ungewaschen sie waren. Geschminkt hatte sie sich seit Tagen nicht, aber auf ihren Lidern klebte immer noch ein Rest Wimperntusche. Sie sehnte sich nach einer Zigarette. Sie hatte vor achtzehn Jahren aufgehört zu rauchen, aber nun wünschte sie sich eine volle Schachtel köstlicher Zigaretten, die sie alle auf Lunge rauchen wollte, um sich hinter einer Nebelwand vor der Wirklichkeit zu verstecken.
    Der Wagen rollte auf das Stoppschild neben dem Elektrofachmarkt in Hablingbo zu. Wäre hier immer noch der Ica-Supermarkt gewesen, hätte sie aussteigen und Zigaretten holen können. Aber anscheinend machten auf dieser verdammten Insel alle Läden dicht. Alle gaben auf und zogen weg.
    Ohne Ziel bog Ninni nach links ab in den Kustvägen, ein diffuses und doch drängendes Gefühl steuerte sie.
    Plötzlich musste sie an ihre Mutter denken. Ninni hatte sie um Hilfe gebeten. Wie blöd von ihr. Diese Enttäuschung hätte sie sich besser erspart. Ihre Mutter spielte bei irgendeiner Konferenz eine äußerst wichtige Rolle, dann musste sie zwei Tage nach Helsingfors, und anschließend kam ihre beste Freundin aus dem hohen Norden, aus Umeå, zu Besuch, die hatte ja längst den Flug gebucht, aber danach, in ungefähr einer Woche, na ja, zumindest übers Wochenende.
    Es schüttelte Ninni. Beinahe fing sie an zu weinen, aber sie nahm sich zusammen und beließ es bei einem kleinen Schluchzer.
    Damals, als Ninni ihr eröffnete, dass sie nach Gotland ziehen würden, hatte ihre Mutter deutlich gezeigt, wie enttäuscht sie war. Sie habe es dann so weit zu ihr und den Enkelkindern. Ninni

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