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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Håkan Östlundh
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irgendetwas auf der Straße passierte, das seine Aufmerksamkeit erforderte. Andererseits, was sollte auf dem Weg von Hemse nach Levide schon passieren?
    Ricky legte das Handy neben sich auf den Fußboden und ließ die Arme hängen. Unter den Fingern seiner linken Hand spürte er einen Lehmklumpen. Er lehnte den Kopf an die Wand, schloss die Augen und versuchte, tief und kontrolliert zu atmen, während er den Lehmklumpen zerbröselte.
    Gerichtsmedizinerin Irma Silkeberg steckte die benutzten Instrumente in eine dicke Plastiktüte, trat ein paar Schritte zurück und betrachtete die stumme Szene.
    »Ich glaube, die Frau hat den ersten Stich abbekommen.« Sie zeigte auf die erstarrten Überreste von Kristina Traneus.
    Eva hatte sich bis jetzt im Hintergrund gehalten, damit die Gerichtsmedizinerin in Ruhe arbeiten konnte. Irma Silkeberg drehte sich zu ihr um, streifte die Schutzhandschuhe ab, steckte sie in die Tüte zu den Instrumenten und packte alles zusammen in ihre Tasche.
    »Ich muss das Blut analysieren, um hundertprozentig sicher zu sein, aber ich wage mal eine Vermutung. Auf dem Pullover der Frau befinden sich Blutflecken, die mit größter Wahrscheinlichkeit nicht aus ihrer eigenen Wunde stammen und die dorthin gekommen sein müssen, nachdem der Täter mit ihr fertig war.«
    »Er hat also erst sie erledigt, greift dann den Mann an und hört erst wieder auf, als er ihn vollkommen zerfetzt hat?« Per Granholm wendete den Blick nicht von dem massakrierten Toten in der Ecke ab.
    »Jedenfalls spricht nichts gegen dieses Szenario. Es besteht natürlich auch die Möglichkeit, dass er – oder sie – zuerst den Mann angegriffen hat, dann aus irgendeinem Grund innehielt, auf die Frau losgegangen ist, um den Mann danach endgültig zu massakrieren«, sagte Irma Silkeberg. »Diese beiden Schlussfolgerungen lassen sich ziehen.«
    Der Wahnsinn, dachte Eva Karlén, der Wahnsinn oder auch die Wut, die denjenigen verzehrt haben, der das hier getan hat, sie müssen entsetzlich gewesen sein. Sie müssen vollkommen von dem Täter Besitz ergriffen, ihn gesteuert haben – oder die Täterin, wie Irma Silkeberg betont hatte. Dieser Wahnsinn kann ihm oder ihr keinen Ausweg gelassen haben. Es war sehr schwer, sich das vorzustellen, zumal es nur einen einzigen Stich bei der Frau gab. So ordentlich und einfach, verglichen mit der Kraft, dem Zorn, dem Wahnsinn, die diesen Mann so entstellt haben … Er war hier die Hauptperson, gegen ihn hatte sich diese Wut gerichtet. Die Frau kam dem Täter nur in die Quere. Oder zumindest hat sie seine Gefühle nicht annähernd so stark in Wallung gebracht.
    »Sie glauben wirklich, es könnte genauso gut eine Frau gewesen sein?«, fragte Eva Karlén.
    »Ja, man braucht nicht übermäßig viel Kraft, um das hier zustande zu bringen, aber man muss einigermaßen robust und zumindest mittelgroß sein. Eine kleine oder zarte Person können wir ausschließen.
    »Und wenn diese zarte Person vor Wut rasen würde?«
    »Möglich, aber ich bezweifle es«, sagte Silkeberg und kniff hinter ihren Brillengläsern die Augen zusammen. »Die Mordwaffe muss relativ schwer gewesen sein. Zuerst habe ich an ein großes Küchenmesser oder eines dieser leichten Samuraischwerter gedacht, aber als ich die Verletzungen näher untersuchte, stellte ich fest, dass beispielsweise Knochen und Knorpel, die ja mehr Widerstand leisten, nicht nur zerschnitten, sondern auch gebrochen sind.«
    »Und was denken Sie jetzt?«, fiel Eva ihr ins Wort.
    Irma Silkeberg lächelte müde, was vermutlich bedeutete, dass sie es nicht mochte, wenn man sie zur Eile antrieb.
    »Etwas Scharfes, allerdings nicht so scharf wie eine Rasierklinge, und Schweres. Eine Sense vielleicht oder eine Machete. Verschiedene schwere Gegenstände kämen in Betracht. Der Mann ist ja – vermutlich in kurzen Abständen – von über dreißig Hieben getroffen worden. Das erfordert einiges an Kraft und Ausdauer. Außerdem schließt der Einschlagswinkel alle Personen unter einem Meter fünfundsiebzig aus, oder sagen wir sicherheitshalber einem Meter siebzig.«
    »Dreißig Hiebe«, wiederholte Eva.
    »Mindestens.« Silkeberg nickte. »Die meisten müssen dem Opfer bereits in liegendem Zustand zugefügt worden sein. Aber bei den Verletzungen am Kopf und am Hals muss er noch gestanden haben. Das müssen die ersten Hiebe gewesen sein. Der Schlag am Hals war vermutlich die unmittelbare Todesursache, aber mit Sicherheit hätte die Hälfte aller Hiebe allein innerhalb weniger
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