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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition)
Autoren: Håkan Östlundh
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Minuten zum Tod geführt.«

15
     
    Verfluchte Scheiße! Es war wie eine Krankheit. Ihr Bruder konnte einfach nicht pünktlich sein.
    Elin hatte zehn Minuten an der Bushaltestelle auf ihn gewartet. Alle, die mit ihr ausgestiegen waren, wurden nach kürzester Zeit mit dem Auto abgeholt oder fuhren auf ihren Fahrrädern davon. Eine Weile hatte ihr noch der tuckernde Bus Gesellschaft geleistet, der die Minuten bis zur exakten Abfahrtszeit abwartete, aber nachdem er um die Ecke gebogen war, stand sie ganz allein auf dem verwaisten Bahnhof. Ungefähr fünf Minuten lang starrte sie das OK-Logo auf dem Silo von Lantmännen an, bevor sie die Geduld verlor und eine SMS schickte. Er könne sie bei Redners abholen.
    Nun saß sie mit einem Glas Rotwein in der Kneipe, starrte aus dem Fenster und drückte die Daumen, dass sich die drei Alkoholiker, die sich in der dunklen Ecke beim Notausgang kabbelten, nicht ernsthaft in die Haare kriegten.
    Plötzlich vibrierte ihr Handy auf der Tischplatte.
     
    Redners! Hast du
    sie noch alle?
    Bin unterwegs.
    Besten Dank, dachte sie, warum hast du mich nicht eher gewarnt? Schon vor zwei Jahren, als Elin die Insel verließ, war das Redners nicht die erste Wahl gewesen, aber immerhin eine Möglichkeit. Inzwischen offensichtlich nicht mehr.
    Der Wein schmeckte herb und säuerlich, war aber in Ordnung. Er hatte nicht viel gekostet. Sie nahm zwei schnelle Schlucke und versuchte in der Fensterscheibe ihr eigenes Spiegelbild zu erkennen.
    Draußen näherte sich ein Mann um die dreißig. Er blieb stehen, legte die Stirn an die Scheibe und schirmte mit der einen Hand das Licht ab, damit er hineinsehen konnte. Hastig wanderten seine Augen durch das Lokal, dann verschwand er genauso schnell, wie er gekommen war.
    Elin kannte ihn irgendwoher, aber sie konnte sich weder an seinen Namen erinnern noch wo sie ihn kennengelernt hatte. Sie wusste nur, dass sie sein Gesicht schon einmal gesehen hatte.
    Sie sprang auf und rannte zur Tür. Die Bedienung hinter dem Tresen blickte auf, als sie die Eingangsglocke hörte. Elin streckte den Kopf aus der Tür und spähte die Straße hinunter, die mitten durch den Ort lief. Er musste in einer der Seitengassen verschwunden sein.
    Sie ging wieder zu ihrem Platz. Aus der Küche waberte der Geruch von ranzigem Fett herüber. Der Mann war ihr so bekannt vorgekommen. Das schmale Gesicht und diese Augen, die irgendwie so … wild aussahen.
    Behutsam stupste sie ihr Weinglas über die graue Resopaltischplatte. Aus irgendeinem Grund musste sie an Stefania denken. An ihre letzte Begegnung. Sie hatte im Auto gesessen, gewinkt und genau in dem Moment, bevor das Auto anfuhr, vorsichtig gelächelt.
    Elin trank einen großen Schluck und versuchte an etwas anderes zu denken. Morgen würde sie mit einem der Pferde ausreiten. Immerhin etwas, worauf sie sich freuen konnte.
    O Mann, was machte sie hier? Ein Abendessen mit Mama und Papa. Lieber Gott, mach, dass es erträglich wird, bat sie, obwohl sie gar nicht glaubte. Jedenfalls nicht an einen Gott. Schon vor zehn Jahren hatte sie diese Möglichkeit verworfen. Vorher war sie zwar auch nicht gerade ein naives Schäfchen des himmlischen Hirten gewesen, aber seit diesem Tag vor zehn Jahren war sie ganz sicher. Es gab keinen Gott. Es konnte gar keinen geben.
    Denn Gott mag keine Armen. Und Gott mag keine Schwarzen. Und dich mag er auch nicht … Hängt ihn auf! , sang sie im Kopf.
    Warum kam er nicht? Das hier war doch lächerlich.
    Als Ricky durch die klingelnde Tür kam, waren weitere fünfzehn Minuten vergangen, und Elin trank ihr zweites Glas billigen Rotwein. Er war noch gar nicht unterwegs gewesen, als er die SMS geschickt hatte. Aber sie war froh, ihn zu sehen, und wollte ihm keine Vorwürfe machen. Als sie aufstand, um ihn zu umarmen, stieß sie gegen die Tischplatte, sodass etwas Wein überschwappte. Eine blaurote Pfütze am Fuß des Glases.
    Irgendetwas war mit ihm. Nach der Umarmung hielt er sie noch eine Weile an den Schultern fest und sah sie ernst an. Lachend fragte sie, was mit ihm los sei. Ricky neigte manchmal zur Schwermut. Er hatte solche Phasen.
    Er gab keine Antwort, und Elin setzte sich wieder. Langsam sackte Ricky auf den Stuhl gegenüber.
    »Willst du auch was bestellen?« Sie deutete mit einem Kopfnicken auf ihr Glas.
    Er schüttelte den Kopf.
    »Hast du ihn getroffen?«
    Wieder sah Ricky sie so komisch an. Ernst, fast feierlich.
    »Was ist denn los?«
    »Es ist etwas passiert.«
    Als er das sagte, wusste sie
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