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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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holte. Der Gutshof in Levide verströmte das Böse, das sich dort ereignet hatte, und wenn man seine fünf Sinne einsetzte, wusste man bald alles. Was nicht in der Zeitung stand oder über Radio und Fernsehen verbreitet wurde, bekam man heraus, wenn man schnupperte, lauschte und die Augen offen hielt.
    Kristina Traneus. Tot neben dem Cousin ihres Mannes. Manche wussten, wie einst alles begonnen hatte. Es war wie ein Märchen.
    Arvid Traneus war nach Hause gekommen und hatte ebenfalls geschnuppert, gelauscht und ein bisschen die Augen offen gehalten. Allerdings behaupteten einige, er hätte auch so Bescheid gewusst, weil er den sechsten Sinn habe. Er brauchte bloß einen Raum zu betreten, und die Leute bekamen Angst vor ihm, und wenn sie Angst hatten, verrieten sie sich, ob sie wollten oder nicht.
    Doch, es gab viele, die Bescheid wussten.
    Der Tag war grau, aber mild. Vor der tristen Fassade von Svahns, mitten in Hemse, standen zwei alte Frauen, die noch immer leichte Sommermäntel trugen. Lockiges Haar, das von einer kirschroten Baskenmütze und einer weißen Strickmütze verborgen war. Sie umklammerten ihre Einkaufstüten und unterhielten sich mit gewissem Eifer.
    »Was für ein Ende.«
    »Das wünscht man niemandem. Nicht einmal seinem ärgsten Feind.«
    »So eine elegante Frau. Ich sehe sie noch als junges Mädchen vor mir. Als wäre es gestern gewesen.«
    »Einen Dickschädel hatte sie.«
    Schweigend sahen sie sich an und dachten über ihre Worte nach. Dann seufzte die Frau mit der Kirschmütze.
    »Unter jedem Dach wohnt ein Ach.«
    Die andere nickte langsam.
    »Das ist wohl wahr.«
    Elin fuhr in die Einfahrt, stellte den Motor ab und zog die Handbremse an. Als sie die Wagentür öffnete, kamen plötzlich zwei Personen auf das Auto zugelaufen. Sie hatte nur nach dem roten Wagen von TV4 Ausschau gehalten und nicht auf den weißen Miet-Volvo geachtet, der fünfzig Meter entfernt im Schatten einer großen Kastanie parkte.
    Im ersten Moment wollte sie die Tür wieder zuziehen, verriegeln und im Auto sitzen bleiben, aber sie brachte nur ein nervöses Zucken zustande.
    Sie stieg aus, knallte die Wagentür zu, schloss ab und presste die Tüten von H&M und dem Sportgeschäft an sich.
    Die beiden Frauen sahen sich ähnlich, beide um die dreißig, beide in modischen Trenchcoats, beide trugen einen kurzen Pferdeschwanz, die eine dunkel, die andere hell. Die Dunkelhaarige hatte eine Kamera in der Hand, die sie ganz kurz auf Elin richtete. Die Blonde stellte sich vor und hielt ihr die ausgestreckte Hand hin. Elin sagte »Hallo«, gab ihr aber nicht die Hand. Sie wollte nicht unfreundlich wirken, hatte aber beschlossen, Abstand zu wahren, und ging aufs Haus zu.
    »Mein herzliches Beileid«, fuhr die Blonde fort. »Ich habe selbst vor nicht allzu langer Zeit meine Mutter verloren und kann verstehen, wie Sie sich fühlen. Ich kann wirklich nachvollziehen, wenn Sie jetzt am liebsten Ihre Ruhe hätten, aber …«
    Elin versuchte nicht zuzuhören. Sie hatte den Blick fest auf die Tür gerichtet und hoffte, dass Ricky auf der anderen Seite stand und bereit war, sie hereinzulassen. Die beiden Journalistinnen hatten sie in die Mitte genommen, die Blonde redete unaufhörlich und griff nach Elins Arm. Die Berührung machte sie ganz flau. Plötzlich öffnete sich etwas in ihrem Innern. Sie wollte sich nur noch hinsetzen und ihr Herz ausschütten, wollte mit jemandem reden, der sie nicht verhörte und der nicht Ricky war. Ihr Herz und ihre Knie wurden weich, und sie fühlte sich verdammt einsam.
    Allerdings war ihr vollkommen klar, dass die blonde Frau, die neben ihr hereilte, nicht die geeignete Gesprächspartnerin war. Sie hatte nur die Sehnsucht entfacht. Die Journalistin machte ihre Arbeit, sie war gekommen, um ihr Dinge zu entlocken, die sie für ihre Story verwenden konnte, und nicht, um ihr zuzuhören.
    Als Elin noch drei Meter von der Haustür entfernt war, sprintete sie los, und genau im richtigen Moment ging die Tür auf. Sie hatte keine Ahnung, was hinter ihr passierte, sie hörte nur, wie die Tür zuschlug und der Schlüssel umgedreht wurde.
    »Gutes Timing«, keuchte sie und ließ die Tüten auf den Boden fallen.
    Sie dankte Gott für Ricky. Nicht nur, weil er an der Tür gewartet hatte, sondern weil er für sie da war und sie nicht allein sein musste. Ohne ihn hätte sie es nicht geschafft zu widerstehen. Sie würde jetzt mit ihnen dasitzen und vor diesen fremden Menschen ihr Innerstes ausbreiten.
    Schon wieder dieser

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