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Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Gotland: Kriminalroman (German Edition)

Titel: Gotland: Kriminalroman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Håkan Östlundh
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Gott.
    Draußen vor der Tür flehte die Reporterin mit freundlicher und lauter Stimme um Gehör.
    Sie waren ins Arbeitszimmer geflohen. Ricky wollte das Radio einschalten, um das Klingeln und die Lockrufe der Journalistinnen zu übertönen, aber Elin hielt ihn davon ab. Solange sie die Frauen hörte, hatte sie keine Angst, dass sie ins Haus eindrangen. Nicht, dass sie ernsthaft befürchtet hätte, dass die Reporterinnen so etwas tun würden, aber die Phantasie übermannte sie trotzdem.
    »Die Polizei war wieder hier.« Langsam wippte Ricky in dem Bürostuhl vor und zurück.
    Elin stand in der Mitte des Zimmers und sah aus dem Fenster. Von der Weide auf der anderen Straßenseite glotzte ein pechschwarzer Stier zu ihr herüber.
    »Aber nur der eine. Der mit der Glatze war nicht dabei.«
    »Eide? Der war in Visby und hat mit mir geredet«, sagte Elin.
    »Was wollte er?«
    Er hörte auf zu schaukeln, starrte auf seine Füße und begann sich ganz langsam zu drehen.
    »Er hat gefragt, ob ich Karl-Johan Traneus kenne.«
    Ricky blickte auf.
    »Das ist der, der gestern angerufen hat. Der Sohn von Anders.«
    Ricky wendete den Blick ab und stand auf. Im selben Augenblick wurde unten an eine Fensterscheibe geklopft.
    »Scheiße. Ich gehe jetzt runter und …«
    »Das bringt nichts.«
    Elin versperrte ihm den Weg.
    »Es ist sinnlos. Je mehr wir mit ihnen kommunizieren, desto länger brauchen wir, um sie wieder loszuwerden.«
    Sie konnte Ricky leicht umstimmen. Er machte kehrt und ließ sich aufs Bett plumpsen.
    »Lernt man so etwas im Psychologiestudium?«, fragte er seufzend.
    »Ich glaube, das habe ich in der Kneipe gelernt.«
    Ricky grinste kurz.
    »Was wollte der Polizist denn von dir?« Elin nahm auf dem Bürostuhl Platz.
    Er überlegte eine Weile.
    »Er hat nach Mama und Papa gefragt. Du weißt schon, wie sie sich verstanden haben und so.«
    »Und was hast du geantwortet?«, fragte sie.
    Wieder wurde es eine Weile still. Diesmal war es eine andere Stille. Sie stand zwischen ihnen.
    »Tja, was soll man darauf antworten? Sie haben sich zwar nicht immer prächtig verstanden, aber wer tut das schon? So lange Zeit. Außerdem ist er in den letzten drei Jahren kaum zu Hause gewesen.«
    »Sie haben sich zwar nicht immer prächtig verstanden, aber wer tut das schon? Das hast du gesagt?«, fragte Elin.
    »So ähnlich.«
    »War das alles?«
    Sie starrte ihn an und versuchte, ihren Zorn im Zaum zu halten.
    »Nee, er wollte auch wissen, was ich am Montag gemacht habe, wann ich nach Hause gekommen bin und …«
    »Über Mama und Papa«, fiel Elin ihm ins Wort.
    »Nein, das war nicht alles«, seufzte er. Sie ging ihm langsam auf die Nerven.
    »Aber gesagt hast du nichts?«
    »Was denn?«
    Sein Blick war leer. Elin hätte ihn am liebsten angeschrien und geschüttelt, konnte sich aber gerade noch zusammenreißen. Diese zusammengesunkene Gestalt auf dem Bett, die so ahnungslos tat, verlieh ihrer Wut einen trostlosen Beigeschmack. Ricky war nicht dumm. Sie wusste, dass sie einen intelligenten Bruder hatte, der eigentlich zu viel mehr fähig war. Und damit meinte sie nicht nur den öden Buchhalterjob, den Vater ihm besorgt hatte. Sie meinte mehr in jeder Hinsicht. Doch irgendwie schien er in sich selbst keinen Halt zu finden. Er lebte eine Art Scheinleben, das zwar nicht von Lügen, aber von der starrsinnigen Weigerung bestimmt war, dem Leben ins Auge zu sehen. Das passierte leicht, es war bequem und menschlich, das wusste sie, aber wenn man sich angewöhnt, den Blick immer ein Stück an den Dingen vorbei zu richten, verliert das Leben irgendwann die Konturen. So wollte sie ihn nicht sehen.
    Sie versuchte es noch einmal.
    »Er hat sie geschlagen, Ricky.«
    Diesmal ließ die Antwort nicht auf sich warten.
    »Hast du das dem Typen in Visby erzählt?
    »Ja, natürlich.«
    »Natürlich?«
    Er klang ein bisschen verletzt, als hätte sie sein Geheimnis preisgegeben.
    »Mama ist tot. Warum sollte ich nicht sagen, was ich weiß.«
    Ihre Stimme trug sie kaum bis zum Ende des Satzes.
    »Hast du jemals gesehen, wie er Mama geschlagen hat?«
    »Ich habe die Spuren gesehen. Genau wie du!«
    Nun konnte sie die Tränen nicht mehr halten. Schluchzend presste sie die Worte hervor.
    »Du hast Spuren gesehen, und deshalb muss er sie geschlagen haben. Scheiße, Elin.«
    Er klang so kalt, so unnahbar. So … dumm.
    »Ich habe genau das gesagt, was ich jetzt zu dir sage. Dass ich es nie mit eigenen Augen gesehen habe, aber eben die Spuren. Und das reicht,

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