Gotland: Kriminalroman (German Edition)
schwanger zu sein. Ich glaube, ich schäme mich ein bisschen. Ja, das tue ich. Nicht, weil ich schwanger geworden bin, nicht einmal, weil ich nicht weiß, wer der Vater war. Jedenfalls nicht sehr. Das Ganze ist nur so lächerlich. Blöd, ungeschickt. Ich bin doch keine zwanzig mehr.«
Der Vater hätte ein Kanadier gewesen sein können, den sie im Urlaub auf Sardinien kennengelernt hatte, oder – zumindest theoretisch – ein Gotländer, in den sie vielleicht verliebt war. Das wusste sie nicht genau. Nicht, dass ihre eventuelle Verliebtheit oder die Unsicherheit bezüglich der Vaterschaft ihren Entschluss beeinflusst hätten. Sie wollte einfach kein Kind, so einfach war das. Wenn sie sich vorstellte, Mutter zu sein, musste sie immer nur an die Dinge denken, die sie dann nicht mehr machen konnte. Nicht mehr reisen, nicht mehr treffen, wen sie wollte und wann sie wollte, nicht mehr arbeiten, wie sie wollte, nicht mehr einfach von einem Ort verschwinden, wenn sie ihn satt hatte, und natürlich nicht mehr ungeschützt mit fremden Männern von anderen Kontinenten schlafen. Stattdessen müsste sie das Kind pünktlich vom Kindergarten abholen, Elternabende besuchen und von ihrem sauer verdienten Geld Designerjeans für ein undankbares Balg kaufen, das ohnehin nie zufrieden wäre.
Vielleicht waren das schäbige und egoistische Gründe, aber gerade deshalb … Es passte einfach nicht zu ihr. Die Entscheidung war ihr nicht schwergefallen.
Und nun hatte sie ihrem Kollegen mit der Kopfverletzung davon erzählt. Überraschenderweise fühlte es sich gut an. Sie hatte nicht die geringste Ahnung, was Fredrik dachte.
29
»Gut, dass Sie kommen konnten.« Göran Eide setzte sich der jungen Frau gegenüber. Mädchen , dachte er. Sie war fast noch ein Kind.
»Schon okay. Ich musste sowieso in die Stadt.«
Sie war blass, machte aber einen energischen Eindruck, denn sie hatte sich kerzengerade hingesetzt und blickte Göran starr an.
»Dieser Anruf, von dem Sie mir gestern berichteten, der auf Sie so bedrohlich wirkte …«
»Er wirkte nicht bedrohlich«, fiel sie ihm ins Wort, »er war es. Eine Morddrohung.«
»Wenn ich Sie richtig verstanden habe, hat Ihr Bruder den Anruf entgegengenommen?«
»Ja, aber eine Morddrohung war es trotzdem.«
Auf ihren bleichen Wangen flammten zwei rosa Flecke auf.
»Wie auch immer, der Anruf kam vom Anschluss eines gewissen Karl-Johan Traneus. Sagt Ihnen der Name etwas?«
»Ja. Oder besser gesagt, ich glaube, ich weiß, wer das ist. Den Namen habe ich schon mal gehört.«
»Und wer ist das?«
»Man nennt das Cousin zweiten Grades, oder? Das Kind vom Cousin meines Vaters. Das Kind von Anders.«
Sie sah Göran fragend an. Er bestätigte mit einem Nicken, dass dies ein Cousin zweiten Grades war.
»Kennengelernt haben Sie ihn nie?«
»Wahrscheinlich habe ich ihn mal in Hemse oder Klinte gesehen, mehr nicht, aber jetzt wird vielleicht was daraus. Anscheinend ist er auf dem Weg hierher und will uns umbringen.«
Sie hörte sich überhaupt nicht ängstlich an.
»Haben Sie eine Vermutung, warum er angerufen und Ihrem Bruder gedroht hat?«
»Wahrscheinlich hat er einen Knall.«
»Aber irgendetwas muss ihn dazu getrieben haben.«
»Logisch«, gab sie zu. »Sein Vater wurde in unserem Haus ermordet. Er glaubt, unser Vater hätte es getan, aber den kann er nicht erreichen, also will er uns umbringen.«
Göran Eide bewegte vorsichtig die Schultern. Er spürte einen leichten Schmerz zwischen den Schulterblättern, wollte aber nicht, dass Elin Traneus es bemerkte. Eigentlich merkwürdig. Normalerweise tauchte diese Art von Schmerz spätabends nach langen Diensten auf und nicht schon am Vormittag.
»Was sagen Sie dazu?«
»Wozu?«
»Dass Karl-Johan, Ihr Cousin zweiten Grades, Ihren Vater für den Täter hält.«
»Was ich davon halte?«
Ihr Stimme klang plötzlich hell und fragend. Sie wickelte den großen schwarzen Pullover um sich, dessen Ärmel sie mehrmals umgekrempelt hatte, und schlug sich mit den Handflächen ins Gesicht.
»Es kann nicht wahr sein, dass ich hier sitze und mir solche Fragen gestellt werden. Ich kann es nicht glauben. Warum darf ich nicht nach Hause fahren und mich ins Bett legen?«, fragte sie laut und schrill.
»Sollen wir das Gespräch abbrechen?«
Elins Verhalten hatte Göran einen Schrecken eingejagt, doch er war nicht sicher, ob es sich um den Beginn eines Zusammenbruchs oder nur um eine für Teenager typische Überreaktion handelte. Ganz so jung war sie zwar
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