Gotland: Kriminalroman (German Edition)
falls wir noch Fragen haben.«
»Jederzeit«, erwiderte Claes Klarberg.
Es raschelte, als ein Eichhörnchen die Rinde eines Baumstamms hochkletterte und irgendwo in der Krone der Eiche verschwand. Automatisch blickten Eva Karlén und Johannes Klarberg auf und verfolgten den Weg des kleinen Tiers.
»Wie blöd muss man eigentlich sein?, dachte Eva und betrachtete das Eichhörnchen, das plötzlich auf einem ganz niedrigen Ast wieder auftauchte. Es konnte doch nicht so schwer sein, endlich die Finger von Fredrik Broman zu lassen. Sie fühlte sich von ihm angezogen, das musste sie zugeben, aber so wahnsinnig außergewöhnlich war er nun auch wieder nicht. Außerdem war er verheiratet.
Die Sache im Keller hatte ihr zwar keine schlaflosen Nächte bereitet, aber wenn sie wollte, war das Gefühl seiner Lippen sofort wieder da. Das war erregend und erschreckend zugleich. Was hatte das zu bedeuten? War es das überhaupt wert? Vermutlich wäre es besser, das Ganze zu vergessen. Arbeiten und vergessen. Nicht nachdenken.
»Hier war es also?« Sie widmete ihre Aufmerksamkeit den zwanzig Quadratmetern, die die Schweine umgepflügt hatten.
»Ja.« Johannes strich sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht.
»Das Schwein stand direkt hinter dieser Birke.«
Als er zu der Stelle gehen wollte, hob sie blitzschnell die Hand und stoppte ihn.
»Nur zeigen!«
»Ein oder zwei Meter hinter der Birke da.«
»Und wo war das andere?«
»Weiter hinten. Ich kann es Ihnen auch zeigen.«
»Danke, das wäre prima.«
Eva ließ Johannes den Vortritt. Ihre Schritte raschelten im hohen Gras. Es gab nicht viele Bäume, aber an einigen Stellen wuchs dichtes Gestrüpp, dem sie ausweichen mussten.
»Gibt’s hier sonst viele Tiere?«
»Nein. Lasse lässt, glaube ich, manchmal seine Pferde hier grasen, damit nicht alles zuwächst, aber wie Sie sehen, nützt es eigentlich nichts.«
Schöne, knochige Eichen, üppiges Gras und die Sonne zwischen den Wattebäuschen am Himmel. Eva ging einige Meter hinter Johannes her und überlegte, wie sie die Sache angehen sollte. War hier ein Mensch begraben? In Einzelteilen?
42
In nur zwei Stunden hatten Eva Karlén und Granholm an der Stelle, wo die Schweine gewühlt hatten, die Überreste eines Menschen ausgegraben. Auf einer weißen Folie unter einem schützenden Zeltdach hatte Eva zwei Beine, zwei Arme und einen Torso ohne Geschlechtsorgan ausgebreitet. Die Beine waren unterhalb der Hüftgelenke abgehackt worden, sodass die Gelenkköpfe und Stümpfe noch in den Gelenkschalen am Becken saßen. Die Arme dagegen waren mitsamt Gelenkkopf aus der Schulter gebrochen worden. Kopf und Füße fehlten.
Es kam selten vor, dass die Einzelteile von zerstückelten Leichen nicht irgendwie verpackt waren. Meist waren es mit Klebeband verschlossene Plastiktüten, aber es gab auch Teile, die in Stofffetzen gewickelt waren. So wie hier war es natürlich praktischer. Möglicherweise hatte der Täter auf einen rascheren Verwesungsprozess gehofft. Doch bei diesem sandigen Boden hatte er schlechte Karten.
Göran, der gerade erst eingetroffen war, warf durch den Zelteingang einen Blick auf die Einzelteile. Er scheute sich davor hineinzugehen und hielt mit spitzen Fingern die Plane in die Höhe. Rings um die Körperteile hatten sich schwarze Erdkrümel verteilt.
»Wir suchen weiter nach dem Kopf und den Füßen, aber ich glaube nicht, dass sie am selben Ort vergraben wurden, zumindest nicht der Kopf«, rief ihm Eva über ihre Schulter zu.
»Weil?«
»All diese Körperteile befanden sich auf einer bestimmten Fläche. Vermutlich lagen sie im selben Erdloch. Mir erscheint es unlogisch, dass man in unmittelbarer Nähe der Grube für den Körper noch ein extra Loch für den Kopf gräbt.«
»Das stimmt, allerdings kann ich nicht beurteilen, wie logisch jemand überhaupt vorgeht, der so etwas tut.« Göran wendete den blassgrauen und teilweise mit Erde bedeckten Überresten den Rücken zu.
»Wer ist das? Kannst du mir eine einfache Beschreibung geben?«
»Mann mittleren Alters, guter Zustand, aber keine körperliche Arbeit, zwischen einem Meter neunzig und eins fünfundneunzig groß. Viel mehr kann ich nicht sagen.«
»Und die Todesursache?«
Eva schüttelte den Kopf.
»Ich sehe nur die Verletzungen, die von der Zerstückelung herrühren. Es kann natürlich eine Gewalteinwirkung am Kopf gegeben haben, aber genauso gut könnte er erwürgt oder vergiftet worden sein. Vielleicht ist er auch verblutet. Man könnte ihn zum
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