Gotland: Kriminalroman (German Edition)
Die waren total verrückt und tierisch schnell, aber nun waren sie beim Schlachter.
Die Schweine hatten ein großes Loch in die Erde gewühlt und kleine Erdhügel angehäuft. Die zweite Sau stand ein paar Schritte weiter. Als sie ihn bemerkte, warf sie ihm einen gleichgültigen Blick zu. Sie hatte etwas im Maul, das voll Erde war und schmutzig aussah, irgendwie schlaff wie eine tote Krähe oder ein anderes totes Tier, möglicherweise ein Eichhörnchen.
Er blieb stehen und starrte auf die Sau und das, was sie in der Schnauze hatte. Es war kein Tier. Was er für einen Vogel gehalten hatte, war etwas vollkommen anderes.
40
Es roch intensiv nach Tabak. Göran Eide sah die hellgrauen Rauchschwaden über seinen Schreibtisch ziehen. Wieso halluzinierte er? Am liebsten hätte er den imaginären Rauch weggewedelt, so greifbar erschien ihm diese kleine geistige Auflehnung gegen das Rauchverbot.
Leider befriedigten die Phantasien vom Rauchen nicht das Bedürfnis nach Nikotin. Eher im Gegenteil.
Vor zwölf Tagen hatte man Kristina und Anders Traneus’ Leichen gefunden, vor zwei Wochen waren sie umgebracht worden. Von Arvid Traneus gab es noch immer keine Spur. Drei Dinge standen nach Görans Überzeugung fest: Arvid Traneus hatte seine Frau und ihren Liebhaber getötet, er befand sich nicht mehr in Schweden, sondern vermutlich in Japan oder auf irgendeinem Inselstaat mit liberalem Bank- und Steuerwesen, und sie würden ihn kriegen. Nicht in den nächsten Tagen oder Wochen und wahrscheinlich auch nicht mehr in diesem Jahr, aber früher oder später, vielleicht in ein oder zwei Jahren, würde er sich verraten, und die Polizei vor Ort würde ihn festnehmen können, wo immer er sich dann befinden mochte.
Arvid Traneus hatte zwölf Tage Zeit gehabt, sich zu melden. Wäre er unschuldig, hätte er längst die Polizei kontaktiert. Was passiert war, konnte ihm nicht entgangen sein. In allen Medien war fleißig über den Doppelmord berichtet worden. Und man hatte Arvid Traneus zwei Tage vor dem gewaltsamen Tod von Frau und Cousin auf Gotland gesehen.
Das Telefon klingelte, und Göran nahm den Hörer ab. Der Wachhabende war dran.
»Wir haben hier jemanden, der behauptet, er habe menschliche Leichenteile gefunden.«
»Wo?«
»Irgendwo zwischen Etelhem und Hejde, im Wald oder auf irgendeiner Baumwiese.«
»Worum handelt es sich, alte Knochen aus der Vorzeit?«
Der Wachhabende räusperte sich.
»Nach Aussage des Anrufers scheint es sich um einen Penis zu handeln.«
Görans Miene verfinsterte sich. Für dumme Streiche hatte er jetzt keine Zeit. Er schielte auf seinen Tischkalender, um zu prüfen, ob er Dienstjubiläum hatte oder es irgendeinen anderen Anlass für Scherze gab, aber ihm fiel nichts ein.
»Aha. Hat außer dem Anrufer noch jemand anderes dieses Leichenteil, wie du es nennst, gesehen?«
»Nein«, antwortete der Wachhabende, »aber ich habe eine Streife hingeschickt. Die Kollegen müssen jeden Moment dort sein.«
»Und wer ist der Anrufer?«
»Ein Jugendlicher, aber er machte einen glaubwürdigen und sehr aufgewühlten Eindruck. Er wollte einige entlaufene Schweine wieder einfangen, als er … Die Schweine hatten ein Loch in die Erde gewühlt, und eines hatte das Glied offenbar im Maul.«
Nun bekam Göran noch schlechtere Laune und noch größere Lust zu rauchen.
»Ruf mich wieder an, wenn es überprüft worden ist«, sagte er und legte auf.
Polizeiassistent Mats Larsson sah Johannes Klarberg mit starrem Blick an, während er dem Bericht des Jungen lauschte. Sein um einiges älterer Kollege Leif Knutsson stand mit verschränkten Armen daneben.
Der Junge behauptete, zwischen den Bäumen neben dem kurvigen Waldweg einen menschlichen Penis gefunden zu haben. Das Problem war nur, dass kein Penis, Leichenteil, männliches Geschlechtsorgan oder wie man es nennen wollte, mehr da war. Das männliche Glied hatte nämlich zwischen den Zähnen eines Schweins gebaumelt. Wenn die Geschichte des Jungen stimmte, hatte das Schwein es aus der Erde gewühlt, und als der Junge das Schwein dazu bringen wollte, das besagte Organ herzugeben, hatte das Schwein es einfach verschluckt.
»Und du bist dir ganz sicher, dass du das mit eigenen Augen gesehen hast?«
Johannes Klarberg nickte eifrig.
»Ganz sicher, ich könnte schwören. Ich stand direkt daneben«, sagte er, streckte den Arm aus und winkelte die Hand an, um genau zu zeigen, dass er nur eine Armeslänge entfernt gewesen war.
Er sah aus wie sechzehn oder siebzehn,
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