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Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming

Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming

Titel: Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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los.
    JCs Gesicht taucht über ihm auf, es scheint von innen heraus zu leuchten, während sich ein schwarzer Helikopter hinter
ihm am Himmel in die Kurve legt. Bob versucht zu sprechen, doch er spürt das dicke, nach Kupfer schmeckende Blut in seiner Kehle. JC streichelt zärtlich sein Gesicht, streicht die Haare aus Bobs Augen. Er lächelt. Auch Beckys Gesicht kommt ins Bild, sie weint und sagt etwas, als sie sich bückt, um ihm einen Kuss zu geben. Aber Bob kann nicht mehr richtig hören, er hat nur so ein Rauschen in den Ohren, wie wenn man sich als Kind eine Muschel ans Ohr hält und die Leute einem sagen, man könne das Meer hören. Der Helikopter legt sich abermals über ihnen in die Kurve, diesmal niedriger, verdeckt die Sonne hinter JC, und die Rotoren sehen aus, als drehten sie sich in Zeitlupe. Bob wird ganz kalt, wie er es damals von so vielen Kameraden gehört hat. Er muss etwas sagen, muss JC dringend etwas sagen, ein Wort, das durch Blut und Blei und Schmerz in seiner Brust hervorgepresst werden muss. Seine Lippen bewegen sich, seine oberen Zähne berühren die Unterlippe, als er nach dem Reibelaut sucht. Jesus beugt sich nah heran, die strahlend blauen Augen ganz ruhig und rein inmitten dieser Hölle.
    »Fr...«, sagt Bob mit großer Mühe. Jesus nimmt seine Hände.
    »Fr...« Jesus küsst ihn sanft auf die Lippen und bekommt etwas Blut ins Gesicht.
    »Freund«, sagt Bob zum ersten Mal seit achtunddreißig Jahren.
    Und auch zum letzten Mal.
    Als es dunkel wird und die Kälte, die er spürt, allmählich nachlässt und einem warmen Glühen weicht, von dem Bob noch nie gehört hat, als er merkt, wie sich jedes einzelne Atom in seinem Körper auflöst, sieht er, wie eine einzelne Träne über JCs rechte Wange läuft. Dann erscheint ein Gewehrlauf an dessen linker Schläfe, und schwarze Umrisse von Soldaten ragen hinter ihm auf. Das Letzte, was Bob sieht, bevor er stirbt, ist Jesus, der die Hände hochnimmt.

SECHSTER TEIL
NACHSPIEL

    »Ich bin für die Todesstrafe. Wer etwas Schlimmes tut, muss die entsprechende Strafe bekommen. Damit er es fürs nächste Mal lernt.«
    BRITNEY SPEARS

1
    E R ERSUCHTE, IM KOPF EINEN SONG ZU SCHREIBEN, an dem er schon seit Monaten arbeitete. Die erste Zeile lautete: »I know you won’t be coming back again, sketch a smiling face in the misted windowpane«, und er wusste, wie der Anfang der Akkordfolge klingen sollte - von A-Dur über Cis-Moll zu Fis-Dur, so ähnlich wie »Outdoor Miner« von Wire. Er wusste aber irgendwie nicht, wie es weiterging. Eine Stufe rauf zum H und wieder von vorn? Oder zum E hin auflösen, zu so etwas wie einem Refrain? Es war schwierig ohne Gitarre, aber er hatte schon von Songwritern gehört, die sich alles komplett im Kopf ausdachten und es erst aufschrieben, wenn sie das nächste Mal ein Instrument in der Hand hielten.
    Er setzte sich in seinem Bett auf und blickte aus dem winzigen, vergitterten Fenster: Offiziell hatte der Frühling schon begonnen, doch noch immer war der Himmel schlachtschiffgrau, grau in grau, selbst die Wolken grau, die Sonne unsichtbar, ein scharfer Wind wehte durchs Polk County, heulte in der Ferne durch den Drahtzaun, prügelte auf die Wachen auf den Türmen ein, rüttelte am großen Metallschild über dem Eingangstor, einem Schild, das JC nur von hinten sehen konnte, von dem er aber wusste, was darauf stand: ALLAN B. POLUNSKY TRAKT, und darunter STAATLICHE VOLLZUGS-ANSTALT TEXAS.

    Dies war die vorletzte Station im Rechtssystem: zwei Dutzend schmutzig grauer Gebäude auf einem gut zweihundert Hektar großen, umzäunten und schwer bewachten Stück Land.
    Er gähnte und ließ sich vom oberen Bett auf den Betonfußboden gleiten. Er hatte die Zelle für sich allein, wie alle in diesem Block. Schade, denn er hätte sich über ein wenig Gesellschaft gefreut. Aber offenbar, wie ihm einer der Wärter mit fiesem Grinsen erklärt hatte, drehten in diesem Flügel eine Menge Kerle durch. JC hörte sie nachts, wie sie weinten oder Selbstgespräche führten. Die meisten redeten mit Gott oder ihren Müttern.
    Mit seinem nackten Zeh - sie gaben einem hier drin nur Plastiklatschen, und er konnte es nicht ausstehen, wie die sich auf der Haut anfühlten - schob er einige der zahlreichen Zeitungen herum, die auf dem Boden der Zelle lagen. Mann, die Presse in den letzten paar Monaten: Er konnte es nicht fassen, was die Schlagzeilen verkündeten, besonders in den ersten paar Wochen: »COP-KILLER! SEKTENFÜHRER LÄUFT AMOK! TOTE BEI

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