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Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming

Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming

Titel: Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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mein Sohn«, sagt Gott. »Sie hielten dich mir entgegen, völlig besudelt. Scheiße, du sahst aus wie ein Teller Lasagne. Eines deiner Augen war total verklebt, mit dem anderen hast du mich angesehen. Direkt angesehen, ganz vom anderen Ende des Raumes. Der Arzt sagte, Babys sehen so gut wie nichts, höchstens ein paar Zentimeter weit. Ärzte. Was wissen die schon? Eine Viertelstunde vorher hatten sie Aderlass noch für eine Spitzenidee gehalten. Wie auch immer, unsere Blicke trafen sich, du warst ein hilfloses Bündel, blutig wie ein rohes Steak, und da fühlte ich diese Verbindung zwischen uns, etwas, das ich noch nie zuvor empfunden hatte.« Gott hält inne, greift Jesus sanft an die Schulter und zieht ihn zu sich heran. »Du bist mein Ein und Alles, Sohn. Schon wenn dir nur ein einzelnes Haar gekrümmt wird, ist das wie ein beschissener Degenstich in mein Herz ...«
    »Oh Dad«, sagt Jesus, und während sein Blick in die Ferne schweift, findet er sich mit seiner Aufgabe ab, verabschiedet sich von den endlosen Annehmlichkeiten und Freuden, die ihn hier umgeben. Und erinnert sich daran, wie es letztes Mal da unten gelaufen ist. Wie unerbittlich sie in ihrem Hass sein können.
    »Und mach dir da nichts vor: Sie werden dir wehtun da unten.« Gott kann es nicht beschönigen. Er umarmt Seinen Sohn und flüstert ihm ins Ohr: »Aber ich werde immer über dich wachen. Und ich werde dich sicher zu mir zurückbringen ...«
    Mann, es ist nicht einfach, diesen Ort zu verlassen.
    Auf der Erde, zweiunddreißig Jahre zuvor, in der ersten Aprilwoche des Jahres 1979, irgendwo im amerikanischen Mittelwesten, fragt sich eine Jungfrau - Gott ist oldschool –, wann sie eigentlich zuletzt ihre Periode hatte, und warum sie sich morgens so häufig übergeben muss. Jesus spürt, wie
die Milliarden von Atomen seines Körpers sich voneinander lösen, als sein Vater ihn fester umarmt, jedes einzelne von ihnen eine klitzekleine Miniatur seiner selbst, und wie all diese Miniaturen sich in diesem winzigen Knötchen wieder zusammenfügen, das im Bauch der Jungfrau aus dem Mittleren Westen heranwächst.
    April 1979 : Also wird sie das Kind Ende Dezember zur Welt bringen. Gott will, dass der Junge genug Scheiße erlebt hat, um vorbereitet zu sein, wenn es so weit ist.
    Es ist alles eine Frage des Timings.
    Jesus verschwindet jetzt aus der Umarmung seines Vaters, löst sich auf, reist durch Zeit und Raum, um sich dreißig Jahre in der Vergangenheit als kleines Bläschen in einem warmen, weichen Bauch wieder zu manifestieren. Gott, der inzwischen sämtliche großen Romanciers des 20. Jahrhunderts gelesen hat, kommt eine Äußerung Nabokovs in den Sinn: »Der winzige Verrückte in seiner Gummizelle ...«

ZWEITER TEIL
NEW YORK CITY

    »I’ll take Manhattan in a garbage bag with Latin written on it that says ›It’s hard to give a shit these days.‹«
    LOU REED

1
    D IE HITZE IST GNADENLOS.
    Auf dem Bürgersteig könnte man ein gottverdammtes Ei braten, und es gibt kein Erbarmen für die Obdachlosen. Im Winter kommen wenigstens vereinzelte warme Böen aus den Rosten und Luftabzügen des U-Bahn-Systems. Aber im Sommer: nichts dergleichen, abgesehen von der Möglichkeit, in einem der Fastfood-Läden am Times Square abzuhängen, wo man, wie Jesus weiß, exakt so lange die Vorzüge der Klimaanlage genießen darf, wie man sich seine Limo einzuteilen vermag.
    Scheiße , denkt Jesus, wie ist es möglich, dass es jetzt schon so heiß ist? Anhand der Verkehrsgeräusche, die vom Broadway heraufklingen, kann er die Uhrzeit zwar ziemlich genau bestimmen, aber er sieht trotzdem auf seine Plastik-Casio: Es ist 5:48 Uhr. Morgens.
    Jesus schwingt die Beine über die Bettkante seiner schmalen Pritsche, und seine Hacken berühren das warme Linoleum. Im letzten Augenblick weicht er mit der Ferse seines linken Fußes aus, um damit nicht in eine zermatschte Kakerlake neben dem Bett zu treten. Morgs muss sie plattgemacht haben, als er gestern Nacht heimgekommen ist. Jesus lächelt, während er Morgans schlafenden Körper im Bett auf der gegenüberliegenden Seite des Zimmers betrachtet, dem Bett unter dem Arcade-Fire-Poster, das Kris vor ein paar Jahren in
der Nähe des Bowery Ballroom von der Wand gerissen hat. Morgs ist sein Schlagzeuger und arbeitet als Aushilfe in einem Schnellrestaurant in Midtown, weshalb er häufig nicht vor drei, vier Uhr morgens nach Hause kommt.
    Zu dritt teilen sie sich das dreißig Quadratmeter große Zwei-Zimmer-Apartment. Kris - ihr

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