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Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming

Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming

Titel: Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Niven
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er und beginnt mit »May You Never Lay Your Head Down« von John Martyn, improvisiert ein kleines Intro, indem er - im Kontrast zur unruhigen Rhythmik der Akkorde - auf der G-und H-Saite die Melodie herausspielt.
    Jesus’ Spiel ist großartig, er hat ein echtes Händchen dafür, die Melodiebögen zu betonen, indem er sie immer wieder mit überraschenden kleinen Phrasen unterbricht. Alle rücken sie näher an ihn heran und lauschen andächtig. Mittendrin unterbricht er den Song für ein Solo: Der Daumen zupft weiterhin eine Basslinie auf den tiefen Saiten, während Mittel-und Zeigefinger einen Obertontriller spielen.
    »Love is a lesson to learn in this time ... «
    So brillant sein Gitarrenspiel auch ist, so ist es doch Jesus’ Stimme, die alle in ihren Bann zieht: Obwohl klar und sanft, gerade bei diesem Song, ist da diese Sehnsucht, dieser Unterton
von Schmerz und Verzweiflung, der von Hank bis Kurt jeden großen Sänger auszeichnete. Jeder kann das spüren. Wie tragisch, denkt Kris, zu sehen, wie andächtig die Leute JC zuhören, während die meisten Menschen in ihrem ganzen Leben niemals jemandem so nahe kommen werden, der wirklich eine Kunst daraus macht, einen Song zu spielen und zu singen. Hin und wieder sehen sie es im Fernsehen, hören die Musik aus schäbigen Plastiklautsprechern oder besuchen vielleicht ein-, zweimal in ihrem Leben ein richtig gutes Konzert. Aber heutzutage hat doch fast niemand mehr die Chance, in einem kleinen Raum mit jemandem zu sitzen, der es einfach draufhat. Seinen Atem auf deinem Gesicht zu spüren, zu fühlen, wie der Resonanzkörper der ramponierten alten Akustikgitarre die Luft zum Schwingen bringt. Das ist etwas ganz Besonderes: Selbst Leute, die nicht die geringste Ahnung von Musik haben, fühlen in so einem Moment, dass sie etwas nicht Alltägliches erleben. Sie wissen vielleicht nicht, warum sie kleine Pickel auf den Unterarmen und im Nacken bekommen, aber sie wissen verdammt genau, dass ihr Autoradio ihnen dieses Gefühl nicht allzu oft verschafft. Die Armseligkeit ihrer Erfahrungen fällt den meisten Menschen doch erst auf, wenn man sie mit der Nase auf etwas wahrhaft Großartiges stößt. Den Rest der Zeit glauben sie, alles wäre gut so, wie es ist.
    Jesus setzt einen dramatischen Schlusspunkt: Seine Finger huschen in Schnörkeln den Hals hinauf, finden zu einem letzten Dreiklang zusammen, den er um einen Halbton in die Höhe zieht, bevor er schließlich wieder in den Ausgangsakkord zurückfindet. Er blickt in ihre Gesichter: Alle, vom kleinen Miles, der aufgewacht ist, bis zu Gus und Dotty, alle sehen sie ihn mit großen, entzückten Augen an. Dann brechen sie in Jubel aus.
    Morgs gibt ihm einen Klaps auf den Hinterkopf. »Du beschissener kleiner Angeber.«
    »Scheiße, Alter«, sagt Jesus lachend und öffnet eine weitere Dose Bier, »du hast mich ertappt.«

    Rufe nach einem weiteren Song werden laut. Er tut ihnen den Gefallen. Es ist immer noch reichlich Bier übrig, und ihr Gesang hallt über die Dächer, bis er sich irgendwo über dem Broadway im nächtlichen Verkehrslärm verliert, während das schrille Heulen der Martinshörner und die unter ihnen über die Mietshausmauern flackernden Blaulichter daran erinnern, dass für so viele andere in dieser Stadt auch an diesem Abend keine helfende Hand in Reichweite ist.

5
    D AS ZEICHEN ERSCHEINT IHNEN AM NÄCHSTEN MORgen. Und passenderweise ist es Kris, der es als Erster erblickt. Dreißig Meter hoch und fünfzehn Meter breit ragt es über dem Broadway auf, als hätte es Gott persönlich dort für sie aufgestellt.
    Aufgeregt rüttelt Kris Jesus wach, ohne sich groß darum zu kümmern, dass ein Mädchen von der Party – Carol Soundso, wie Kris sich zu erinnern glaubt - neben ihm im Bett liegt. Sie ist ausgesprochen hübsch. Jesus wurde regelmäßig abgeschleppt, nachdem er etwas gesungen hatte. »Steh auf, das solltest du dir ansehen«, sagt Kris aufgeregt wie ein Kind am Weihnachtsmorgen, während er Jesus das Laken wegzieht.
    »Was ist denn los? Wie ... spät ist es?«
    »Früh. Hier.« Kris wirft ihm eine Hose zu. Carol brummelt etwas und vergräbt ihr Gesicht in Jesus’ langem blondem Haar. »Komm schon, das musst du sehen.«
    »Ach Scheiße, es ist Sonntagmorgen«, beschwert sich Morgan aus dem anderen Bett.
    »Los, du auch«, fordert Kris ihn auf.
    Alle vier stolpern barfuß auf die Straße hinaus - der Bürgersteig unter ihren Füßen ist bereits warm - und blicken, Kris’ zitterndem Fingerzeig folgend, in den

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