Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming
das Fenster, so dass Roger gegen die niedrig stehende Nachmittagssonne nur noch ihre Silhouette sieht.
»Alles bestens. Spitzenzahlen in L. A., Chicago und Seattle. Nur in Houston sind sie leicht eingebrochen. Vermutlich die Hitze.«
»Mmmm. Gut möglich.«
Jansen ist besorgt.
Noch vor nicht allzu langer Zeit, während der ersten Staffel, hatte AMERICAN POP STAR Maßstäbe gesetzt, ach was, war das Maß aller Dinge gewesen. Die Show kam aus dem Nichts und schlug alle Quotenrekorde. Im Moment waren sie immer noch die erfolgreichste Show des Landes. Sollte es ihnen gelingen, diese Position über drei Jahre zu halten, dann wäre dies ein Kunststück, das seit den großen Tagen der Cosby Show , damals in den Achtzigern, niemand mehr vollbracht hatte. Aber dann, letztes Jahr, hatte NBC Talent USA gestartet. Diese Show bediente sich eines ähnlichen Formats wie AMERICAN POP STAR, legte den Fokus aber eher auf die Freaks, die Verrückten und Spinner, auf die Leidensgeschichten der Kandidaten. Niemand glaubte damals daran, dass die Show überleben würde. Aber wie ihr Boss zu sagen pflegt: Den Leuten kann das Niveau gar nicht mies genug sein. Und tatsächlich: TUSA war für eine zweite Staffel zurück und schien nun beständig in der Zuschauergunst zu steigen. Es sah ganz so aus, als ob sich Amerika zwar grundsätzlich für Talent interessierte, sich jedoch eigentlich viel mehr für sabbernde, total aus dem wahren Leben gegriffene, absolut durchgeknallte Oberirre der Kategorie Schließt-sie-weg-und-pumpt-sie-mit-Chlorpromazin-voll begeisterte. Je mehr davon, desto besser. TUSA hatte in den Quoten zwar noch nicht so sehr zugelegt, dass sich daraus eine ernsthafte Bedrohung für Jansens Position bei Amerikas erfolgreichster Show ergab, aber stark genug, um den Boss nervös zu machen. Und wenn der Boss nervös war, tat man gut daran, sich mehr als nur ein bisschen zu sorgen.
Sie dreht sich wieder zum Fenster um und blickt auf die sich träge vorwärtswalzende Schlange hinunter. »Na dann mal los«, sagt sie mehr zu sich selbst als zu Roger.
7
O KAY«, RUFT EINER DER AUFNAHMELEITER, ALS ER JESUS im Auditorium zur Seite bugsiert, »könnte ich dich bitte hier drüben haben, bei dem Typen da ...«, Jesus bekommt eine Nummer an sein T-Shirt geheftet, »... und dich und dich auch.« Zu viert werden sie einen kurzen Korridor hinuntergetrieben, wo sie die Anweisung erhalten, vor einem der zahlreichen Castingräume zu warten. Jesus begrüßt seine Mitbewerber: »Hi Leute, wie geht’s euch so?«
Der Typ neben ihm, ein zappeliges Kerlchen in so einer Art Spandex-Catsuit, kichert bloß vor sich hin und rutscht dabei die Wand entlang, während er nervös nach rechts und links blickt.
Okay , denkt Jesus.
»Dein wievieltes Mal, Süßer?«, will ein hochgewachsener puerto-ricanischer Junge in einem weißen Smoking wissen.
»Wie bitte?«
»Dein wievieltes Casting ist das?«
»Oh, mein erstes«, sagt Jesus. »Und deins?«
»Das dritte«, der Junge rümpft die Nase, als er Jesus’ schmutzige Sneakers, die fleckige Hose und das verschwitzte Folk-Implosion-T-Shirt mustert. »Hast dich ja richtig in Schale geschmissen«, spottet er und dreht sich weg, um Tonleitern zu üben.
»Kümmer dich nicht um den«, muntert ihn ein Mädchen auf. »Der Kerl ist ein Arschloch. Ich bin Clare. Bin auch zum
dritten Mal hier.« Sie geben sich die Hand. Clare hat ihren fülligen Körper in ein pinkfarbenes Trikot gezwängt, sie sieht aus wie eine gigantische psychedelische Robbe. »Du begleitest dich selbst auf der Gitarre?«, fragt sie, als sie die Gibson auf seinem Rücken bemerkt. »Toll. Was wirst du singen?«
»Äh, keine Ahnung. Ich hab noch nicht drüber ...«
»In Ordnung!«, ruft jemand, dann werden alle vier in den Raum geführt. Darin sitzen Sam Jansen und ein paar ihrer Wasserträger an einem langen Tisch. Vor ihnen steht eine Videokamera auf einem Stativ, und im Hintergrund lümmeln zwei bullige Sicherheitsleute herum. »Wozu diese Muskelprotze? «, flüstert Jesus Clare zu.
»Oh, weißt du, die Castings ziehen Verrückte regelrecht an.« Mit einem lauten Ploppen zieht sie die Daumen aus den Schulterträgern ihres Trikots, unter dem ihr Körperfett daraufhin zu hüpfen und wogen beginnt.
»Okay«, sagt Jansen. »Nummer 4410 ... Lord Alfonso?« Ihre Stimme wird zu einem Seufzen, als sie seinen Namen ausspricht.
Der geschniegelte Puerto Ricaner wirbelt in die Mitte des Raumes. »So trifft man sich wieder,
Weitere Kostenlose Bücher