Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming
dass die Leute noch immer so redeten. »Einen Song, den Millionen Menschen kennen. Nicht irgendeinen minderbemittelten Indie-Quatsch, den vierzehn schräge Vögel aus dem East Village gut finden. Hier, ich spiel dir mal was vor, was für mich eher infrage kommt ...«
Herb legt »Since You Been Gone« von Rainbow (» Ohhh nein, Mann! Scheiße, ich finde Ritchie Blackmore zum Kotzen !«) auf, gefolgt von »Keep On Lovin’ You« (» Speedwagon? Hast du sie nicht mehr alle? «) und »More Than A Feeling« (Jesus, widerwillig: » Das ist ein cooler Song, aber komm schon, Mann. Das ist dermaßen vorhersehbar. Da kann ich ja gleich
›My Country Tis of Thee‹ singen .«). Und so weiter und so fort. Jesus hatte schon schlimmere Stunden verbracht - in Gefängnissen, Krankenhäusern, auf Sozialämtern —, aber nicht viele.
Eine ganze Ecke später spielt Herb »Don’t Wanna Miss A Thing«.
»Ach Scheiße, Herb. Wenn schon Aerosmith, kann es dann nicht wenigstens irgendwas von denfrühen Aerosmith sein? Irgendwas von Toys In The Attic ?«
»Du hast völlig falsche Vorstellungen, Junge. ›Cool.‹ — ›Früh.‹ — >Vorhersehbar.< Weißt du, wer das Kernpublikum dieser Show ist? Mum und Dad in Oklahoma und kleine Kinder. Und ich will dir noch was sagen: Mum und Dad und den kleinen Kindern geht es am Arsch vorbei, ob irgendwas cool oder früh oder scheißvorhersehbar ist! « Herb lehnt sich zurück, mit den Nerven am Ende. Dieses Bürschchen ist echt dreist. Für wen hält der sich eigentlich, dass er ...?
Jesus seufzt. »Hör mal, Herb. Wir können das hinkriegen. Wir brauchen was, das cool und hip ist und deutlich macht, wer ich bin , was immer das auch bedeuten mag. Gleichzeitig muss es aber ein Song sein, der millionenfach verkauft wurde und den jeder, der vor dem Fernseher sitzt, schon mal gehört hat.«
»Na ganz toll«, sagt Herb. »Machen wir eine Liste. Ich glaube, ich hab noch ein Streichholzheftchen in der Tasche.«
Für einen kurzen Moment herrscht Schweigen. Mit einem Grinsen im Gesicht steht Jesus auf, geht zur Stereoanlage, stöpselt seinen iPod wieder ein und dreht am Rädchen. Drei Minuten und neununddreißig Sekunden später lächelt auch Herb.
»Hm?«, macht Jesus.
»Na ja. Vielleicht«, erwidert Herb schmunzelnd. »Wenn wir es bei Steven durchkriegen.«
4
D IE ZWEITE WOCHE, DER SAMSTAG NACH LABOR DAY: Amerikas beliebteste Fernsehshow geht live auf Sendung. Jesus hat seine Bande mit Tickets versorgt, und da sitzen sie nun auf der Tribüne, eingeklemmt zwischen Menschen aus dem Mittleren Westen, die den Großteil des Studiopublikums stellen. Viele tragen T-Shirts und Baseballkappen mit den Namen der anderen Studios, deren Führungen sie im Laufe des Tages mitgemacht haben, um ihre Zeit in L. A. bestmöglich zu nutzen. Der Anheizer beendet gerade seinen Auftritt, die Titelmusik geht los, Jesus schwitzt hinter der Bühne, mit seiner Gitarre im Arm.
Die erste Probenwoche war eine traumatische Erfahrung gewesen. Als Jesus das erste Mal hörte, wie das Studioorchester seine Nummer spielte, hatte er schweigend seine Gitarre abgenommen, sie fiepend gegen seinen Verstärker gelehnt und sich auf den Weg zur Garderobe gemacht. »KÖNNTE BITTE MAL JEMAND DIESE VERFICKTE GITARRE RUNTERDREHEN?!«, schrie Barry, der Dirigent, nicht zum ersten Mal.
Herb drängelte sich hinter ihm in die Garderobe. »Verdammte Scheiße, was ist denn jetzt schon wieder los?«
»Was soll der Mist, Herb? Was sollen die Streicher und die beschissenen Keyboards? Nichts von dieser Kacke ist auf der Platte.«
»Komm schon, Junge, wir müssen es ein bisschen aufpeppen. «
»Wozu?«
»Hör mal.« Herb kam herüber, schloss die Tür hinter sich. »Da draußen warten achtundzwanzig der besten Studiomusiker des ganzen Landes, einige davon mit doppelter Gage, und ich muss den ganzen Betrieb aufhalten, um mit dir über das Arrangement zu streiten? Sing einfach dein Scheißlied, okay?«
»Mh-mh.« Jesus schüttelte den Kopf.
»Oh Mann. Wenn Steven was davon mitkriegt, fliegst du hier so was von achtkantig raus ...«
»Auf der Platte sind Gitarre, Bass und Drums zu hören, mehr nicht. Kann ich nicht meine eigenen Jungs nehmen? Ich könnte Kris und Morgan hier raufholen, und wir könnten ...«
»Bist du jetzt völlig übergeschnappt?«, schnaubte Herb. »Du bringst Barry auf die Palme, du willst das Arrangement ändern, und jetzt willst du auch noch deine beschissene, kleine Band hier raufholen? Schaff deinen blöden Arsch da raus
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