Gott bewahre - Niven, J: Gott bewahre - The Second Coming
entschuldigen ...«
»Oh Scheiße, nein!«, sagt Samantha Jansen, macht hinter der Bühne kehrt und rennt Richtung Regie.
Nach ABN-Richtlinie besitzen nur zwei Personen die Vollmacht, eine laufende Livesendung zu unterbrechen: der Produzent - in diesem Falle Stelfox - und der verantwortliche Redakteur des Senders: Jansen, die nun so schnell wie sie kann den Korridor hinter der Bühne hinunterrennt. Die folgenden drei Minuten Livefernsehen würden in der Folge ernste Fragen hinsichtlich dieser Richtlinie aufwerfen - und zwar in ganz Amerika, von der letzten Kaschemme bis zum Obersten Gerichtshof.
»... nicht nur bei Jennifer, sondern ... äh ... auf welcher Kamera sind wir?« Er tritt an den Rand der Bühne, direkt vor das
Publikum, und blickt geradewegs in Kamera zwei, deren rotes Licht gleichmäßig leuchtet und ihn hinaus in die vielen, vielen Wohnzimmer trägt. »Sondern bei ganz Amerika ...«
»Okay, danke. Ich glaube, das ist ...«, sagt Stelfox.
»Lassen Sie mich Ihnen etwas über diesen Mann erzählen«, sagt Jesus und geht zu Stelfox hinüber, wobei ihm die Kameras und die Köpfe der Zuschauer folgen.
Jansen schlittert gerade um eine Ecke, als sie Jesus’ ruhige, getragene Stimme aus den Lautsprechern im Korridor hört.
»Wisst ihr, was dieser Mann über euch denkt? Ihr Leute da draußen, die ihr euch zu Hause diese Show anseht? Er hält euch für Abschaum. Vollidioten. Einfach ... das dämlichste, zurückgebliebenste Pack, das man sich vorstellen kann. Gut genug, um jede Woche diese bescheuerten Telefonnummern anzurufen und diese ... diese Produkte zu kaufen«, Jesus schlägt mit der Hand auf eines der Logos am Tisch der Jury, »und die lahmarschigen Platten, die er am Ende rausbringt, und ...«
Im Kontrollraum gerät Harry in Panik. Ein Regisseur, dem die Regie entgleitet. War das so geplant? »Also ... äh ... haltet weiter drauf«, sagt er. Sie hatten immer noch über zwei Minuten Sendezeit bis zum nächsten planmäßigen Werbeblock: im Livefernsehen eine Ewigkeit.
Jansen kommt um die letzte Ecke geschossen und stößt volles Rohr mit Big Bob zusammen, rammt ihm den Kopf vor die Brust, wie ein Quarterback, der frontal in den größten Verteidiger rennt. Ihr wird schwarz vor Augen, und sie spürt den leisen Druck um ihre Knöchel gar nicht mehr, als Bob sie sanft und vorsichtig - er will der Lady nicht unnötig wehtun - in eine leere Garderobe zieht und hinter ihnen die Tür schließt.
»Ich meine, du bist doch auch so einer ...«, fährt Jesus fort und lehnt sich bei Stelfox an den Tisch, »einer von diesen rücksichtslosen Tyrannen, die aus irgendeinem Grund die Geschicke der Welt lenken, hm, kleiner Mann? Die den Menschen
Scheiße andrehen und behaupten, man gebe ihnen nur das, was sie wollen? Wenn man kleinen Kindern Süßigkeiten gibt, wollen sie immer mehr, selbst wenn ihnen davon die gottverdammten Zähne ausfallen.«
Einige Kameramänner grinsen, gehen näher ran, suchen die bestmögliche Einstellung für Stelfox’ Reaktion. Der will etwas sagen ... und stellt fest, dass er es nicht kann. Er starrt in diese blauen Augen und findet keine Worte. Eine leuchtende Corona scheint Jesus zu umfangen. Stelfox hat ein Summen im Kopf, das das Geschrei in seinem Ohrstöpsel übertönt. Wie in Trance starrt er Jesus an, der sich der Kamera zuwendet und verkündet: »Egal, genug davon. Ich glaube nicht, dass mir noch viel Zeit bleibt, also ... ich wollte nur sagen, ihr müsst nochmal überdenken, wie das hier unten alles so läuft. Besonders die Sache mit der Religion. Habt ihr eigentlich eine Ahnung, wie sauer Gott deswegen ist? Da bringen sich Menschen wegen ihres Glaubens gegenseitig um. Da werden Ärzte von irgendwelchen Abtreibungsgegnern ermordet - und, Mann, ihr Abtreibungsgegner, ich kann euch sagen, euch Typen hasst Er wirklich –, da sammeln diese Idioten im Fernsehen Geld in Gottes Namen. Meint ihr, Gott will auch nur einen einzigen Cent von euch? Die Umweltverschmutzung, die Geldgeilheit, der ganze Scheiß, den ihr jeden Tag mitmachen müsst, um Kohle zu verdienen, damit ihr am Ende Zeug kaufen könnt, das keiner braucht? Ihr ... ihr habt es so weit kommen lassen, dass es Banker gibt, die Hundert-Millionen-Dollar-Boni kassieren, und auf der anderen Seite gibt es Menschen, die in Pappkartons schlafen und Hundefutter fressen. Seid ihr denn völlig bescheuert? Es gibt einen nicht unerheblichen Teil der Welt, der es okay findet, Frauen von Kopf bis Fuß in schwarze Säcke zu stecken und
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