Gott geweiht
dachte an das Mädchen, sie war so dünn, so blass, ihre Knochen zerbrechlich wie die eines Vogels. Es kam ihn nicht vor wie Wollust oder was er dafür hielt, aber wie hätte er es wagen können, Gott zu widersprechen? Oder – noch schlimmer – seiner Mutter?
Er musste die Stimme zum Schweigen bringen, bevor ihm der Kopf platzte. Er musste etwas tun für Gott, damit er sich freute, und er wusste jetzt auch, was – das hatte der Meister ihm gesagt. Er schaute auf die Uhr. Bald wurde es dunkel, dann konnte er sein Werk beginnen.
KAPITEL 32
»Na klar, der Typ wird der Star der Verhandlung!« Butts rollte mit den Augen.
Er hing auf einem der Stühle gegenüber von Chucks Schreibtisch. Lee saß auf der anderen Seite. Es war der folgende Tag, und sie hatten sich in Mortons Büro zu einer erneuten Besprechung zusammengefunden. Chuck hockte mit verschränkten Armen auf der Fensterbank. Nelson saß auf dem Chefsessel hinter dem Schreibtisch und trommelte mit den Fingerspitzen auf die Lehne. Detective Florette hatte auf einem Stuhl in einer Ecke Platz genommen, wie immer diszipliniert und in aufrechter Haltung.
»Viele glaubwürdige Informanten geben miserable Zeugen fürs Gericht ab«, erklärte Chuck. »Das wissen Sie so gut wie ich, Detective Butts. Mann, wir arbeiten doch schließlich beide in der Bronx. Für den Zeugenstand können wir ihn nicht gebrauchen, aber die Frage ist, ob er uns nicht auf eine Spur geführt hat.«
Nelson zuckte mit den Schultern. »Womöglich ist er der einzige Augenzeuge, den wir haben.«
»Außer, Campbell hat den Schlitzer wirklich bei der Beerdigung gesehen«, sagte Butts.
»Da bin ich mir sicher«, meinte Florette. »Die letzte SMS sprach da doch eine ziemlich deutliche Sprache.«
Inzwischen waren alle über die Textnachrichten informiert worden, die Lee bekommen hatte.
»Und dieser Willow hat nicht viel von dem Typen gesehen, sagten Sie, ja?«, erkundigte sich Butts.
»Genau«, bestätigte Lee.
»Du allerdings schon – falls er es denn war«, sagte Nelson. »Hat denn ein Familienmitglied der Opfer den Mann auf dem Phantombild wiedererkannt?«
»Nein, niemand.«
»Dann frag doch diesen Willow, ob es wohl derselbe ist«, sagte Chuck.
»Okay, aber er meinte, es sei zu dunkel gewesen, um das Gesicht des Mannes zu erkennen«, erwiderte Lee. Dass er nicht wusste, wie er Eddie erreichen sollte, erwähnte er nicht. Es war immer Eddie, der ihn anrief – von einer Telefonzelle aus.
Es klopfte.
»Ja?«, rief Chuck.
»Dienstaufsicht«, kam die knappe Antwort.
»Verdammt noch mal«, fluchte Chuck und öffnete die Tür. »Das passt gerade gar nicht.«
Der Mann war groß und wirkte streng und ernst. Durch sein langes Gesicht erinnerte er Lee an eine Mischung aus Schuldirektor und Abraham Lincoln.
»Dr. Campbell?«, fragte er und sah Lee an.
»Ja?«
»Lieutenant Ed Hammer von der Dienstaufsichtsbehörde. Ich untersuche eine Beschwerde von einem Gerald Walker wegen Polizeibrutalität. War einer der anwesenden Herren bei dessen Vernehmung zugegen?«
»Ich«, antwortete Butts. »Und ich kann Ihnen nur flüstern, dass dieser Walker ein richtiger Mistkerl ist.«
»Das mag ja sein, Detective …«
»Butts.«
Hammer sah in sein Notizbuch. »Detective Butts, können Sie mir erklären, warum Sie mich nicht einmal zurückgerufen haben?«
»Weil ich Wichtigeres zu tun hatte. Jetzt hören Sie mal zu, Lieutenant Hammer, der Typ wollte das so. Eine Minute später hätte ich mich auf ihn gestürzt.«
»Also haben Sie gesehen, wie Mr. Campbell den Verdächtigen misshandelt hat?«
»Misshandelt? Was für ein Blödsinn!«, knurrte Butts, und seine pockennarbigen Wangen glühten. »Er hat ihn doch kaum angefasst!«
Hammer schaute Lee an. »Und davon hat er also das blaue Auge?«
»Jetzt passen Sie mal auf, Lieutenant «, stieß Butts hervor. »Walker ist eine Heulsuse und ein Frauenschläger noch dazu.«
»Würden Sie bitte in unser Büro kommen und eine Aussage machen?«
»Und ob!«, schnappte Butts und griff nach seinem Mantel.
Chuck winkte Butts zurück. »Moment noch, Detective.« Dann ging er zu Hammer hinüber und baute sich direkt vor ihm auf.
»Hören Sie mal, Lieutenant Hammer, ich weiß, dass Sie nur Ihren Job machen. Aber Dr. Campbell und Detective Butts sind sehr wichtig für unser Team und die Untersuchung. Ich verspreche Ihnen, dafür zu sorgen, dass Detective Butts Ihnen seine Stellungnahme schickt. Ich muss Ihnen wohl nicht erst erklären, dass unsere Arbeit für
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