Gott geweiht
bin.«
»Okay.«
In weniger als fünf Minuten war Lee angezogen und hatte sich ein Taxi gerufen, in weniger als zehn Minuten war er am Tatort. Er wies sich dem diensthabenden Polizisten gegenüber aus und ging durch die Seitentür ins Innere der Kirche.
Der Anblick, der sich ihm bot, war auf bedrückende Art und Weise vertraut – dasselbe Team von Ermittlern, das in der Kirche verteilt arbeitete, die gleichen gedämpften Stimmen, der Altar, die Kirchenbänke, das schummrige Licht. Die frühmorgendlichen Strahlen der aufgehenden Sonne stahlen sich zögerlich durch das runde Buntglasfenster im hinteren Teil der Kirche.
Lee ging an den Kollegen der Spurensicherung vorbei, die gerade ihr Arbeitsgerät auspackten, und näherte sich dem Altar, um das Gesicht des neuesten Opfers zu betrachten. Er wappnete sich innerlich gegen den Anblick ihres nackten verstümmelten Körpers, aber auf das, was er dann tatsächlich sah, hätte ihn nichts vorbereiten können.
Auf dem Altar lag der Torso einer jungen Frau. Der Kopf saß noch auf dem Körper, aber das war auch schon alles. Ihre Gliedmaßen waren abgetrennt und nirgends zu sehen. In ihren verstümmelten Torso waren die Worte Wie im Himmel so auf Erden eingeritzt.
Lee nahm diese grausamen Fakten sekundenschnell auf – dann drehte er sich um und erbrach sich. Die Mitarbeiter der Spurensicherung streiften ihn kurz mit Blicken und wandten sich dann wieder ihrer Arbeit zu. Es war offensichtlich nicht das erste Mal, dass sie Zeuge einer solchen Reaktion am Tatort wurden. Eine junge Frau eilte zu ihm herüber, um hastig sein Erbrochenes aufzuwischen. Lee zwang sich, das Opfer anzuschauen. Wie erwartet, hatte sie dieselben kurzen, dunklen, lockigen Haare wie die anderen Opfer, ihre Haut hatte jedoch einen eher olivfarbenen Schimmer. Die Lippen waren voller, ihr Körper – oder das, was davon übrig war – weiblicher, mehr entwickelt als der der anderen. Lee wurde wieder schwindelig, und aus Furcht vor erneuter Übelkeit drehte er sich weg.
»Sophia«, sagte eine tiefe Stimme hinter ihm. »Sophia LoBianca.«
Lee drehte sich um und erblickte Detective Florette, der vom hinteren Teil der Kirche auf ihn zukam. Auch wenn das übliche Jackett und die Krawatte fehlten, trug er doch ein frisches, makelloses Hemd, Hosen mit Bügelfalte und glänzende braune Halbschuhe. Lee fragte sich, ob der Mann einen Kammerdiener hatte, der ihm rund um die Uhr zur Verfügung stand.
»Filmstudentin an der NYU «, sagte Florette und runzelte mit finsterem Blick die Stirn.
»Woher wissen Sie das?« Lee starrte ihn an.
Florette zeigte auf einen jungen Mann, der einen Pastorenkragen trug und in einer der hinteren Kirchbänke saß.
»Pater Joseph. Er kennt sie, weil sie hier im Kirchenchor gesungen hat.«
Florette sah auf Sophia herab – oder besser auf das, was von ihr übrig war – und schüttelte den Kopf.
»Hässliche Geschichte. Was halten Sie davon?«
Lee biss die Zähne zusammen, fest entschlossen, sich vor dem eleganten Detective nicht zu übergeben.
»Ich kann mehr dazu sagen, sobald wir die restlichen Teile ihres Körpers gefunden haben.«
Florette legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Kommen Sie mit.«
Mit bösen Vorahnungen folge Lee dem Detective in den hinteren Teil der Kirche. Dort, unter einem Buntglasfenster, das den Tod dabei abbildete, wie er eine Gruppe von Menschen in Angst und Schrecken versetzte, sah Lee ein Bein liegen. Er schaute sich nach Blutspuren um, konnte aber keine entdecken. Das bedeutete entweder, dass der Schlitzer das Blut aufgewischt hatte oder dass sie zum Zeitpunkt der Verstümmelung bereits aufgehört hatte zu bluten, was bedeutete, dass sie – Gott sei Dank – schon längere Zeit tot gewesen war. Lee holte tief Luft und sah Florette an.
»Es geht noch weiter«, sagte der Detective und führte Lee zur anderen Seite der Kirche, wo sie auf den Stufen der Kellertreppe das zweite Bein vorfanden. Und einen Arm. Und schließlich unterhalb einer Statue der heiligen Maria mit dem Jesuskind den anderen Arm.
Florette gab Lee einen Moment Zeit, um das alles zu verarbeiten, und fragte dann: »Ist die Art und Weise, wie die Gliedmaßen platziert sind, von Bedeutung?«
»Ich denke schon, vermutlich religiös motiviert, aber ich kenne mich nicht genug aus, um das genau zuzuordnen.«
In diesem Moment wünschte er sich aus vollstem Herzen, dass Nelson auch zur Stelle wäre. Der wüsste, was von alledem zu halten sei. Er war zwar kein praktizierender Katholik
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