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Gott geweiht

Gott geweiht

Titel: Gott geweiht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C.E. Lawrence
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meinst du denn? Dass das alles ein riesengroßer Zufall ist?«
    »Ich weiß es doch auch nicht. Genauso wenig, wie ich weiß, woher er die Einzelheiten über das Verschwinden meiner Schwester hat. Oder ob er überhaupt irgendwas darüber weiß. Aber ich muss das rausfinden, kannst du das denn nicht verstehen?«
    Chuck blickte wieder auf seine Schuhe hinunter. Sie glänzten wie eine polierte Kupfermünze.
    »Meine Güte, Lee, siehst du denn die Zusammenhänge nicht? Der Schuss, die SMS , die –«
    »Gib mir noch ein paar Tage, okay?«, sagte Lee. »Komm schon, ich bitte dich inständig.«
    Chuck kaute auf seiner Unterlippe und sah aus dem Fenster in die dunkle Stadt hinaus. »Na schön«, sagte er. »Mann, Mann, Mann, schon im Studium hast du am Ende immer deinen Kopf durchgesetzt. Gut, du kannst den Fall behalten, aber sei um Himmels willen vorsichtig, Lee, hörst du?«
    »Versprochen.«
    Was keiner von beiden erwähnte, war, dass alle Vorsicht der Welt den Schlitzer nicht davon abhalten konnte weiterzumachen.

    Lee ging nach Hause und spielte zwei Stunden lang Klavier, von denen er die erste vollständig damit verbrachte, sich durch einen Satz von Bach durchzukämpfen, an dem er gerade arbeitete. Es war schweißtreibend und anstrengend – der Teufel höchstpersönlich steckte in den Passagen für die linke Hand. Was Lee dabei wirklich nervte, war die Vorstellung, dass Bach selbst das verdammte Stück wahrscheinlich locker aus dem Handgelenk gespielt hätte, ohne vorher zu üben.
    »Verdammtes Genie«, brummte er vor sich hin, als er sich in einer verzwickten Modulation festbiss. Aber was auch immer er spielte, eine ganz andere Melodie mischte sich stets darunter und ging ihm nicht mehr aus dem Kopf: der Song Manhattan .
    Er kochte eine Kanne Kaffee und trank sich fast in einen Koffeinrausch, während er wieder und wieder seine Notizen zum Fall durchging. Nach einigen Stunden musste er damit aufhören, war jedoch durch den Kaffee zu aufgedreht, um schlafen zu können, also machte er das Radio an. Aber er war nicht in Stimmung für die donnernden Tenöre und überreizten Sopranistinnen der Verdi-Oper, die gerade lief, daher schaltete er den Fernseher ein. Eine Weile schaute er sich die Wiederholung von Das Haus der Lady Alquist an. Die Art und Weise, wie Charles Boyer den sadistischen Ehemann spielte, ging ihm auf die Nerven. Wenn sich doch jeder Bösewicht so mies benehmen und damit verraten würde, dachte er. Am liebsten hätte er Ingrid Bergman gepackt und so lange geschüttelt, bis sie begriff, was in ihrem Mann vorging.
    Es gab nichts Vernünftiges im Fernsehen, und so setzte Lee sich gegen zwei Uhr morgens schließlich an den Rechner und ging online. Sobald er sein Passwort eingetippt hatte, erschien eine Chat-Nachricht in der linken oberen Ecke des Bildschirms. Als Lee den Namen erblickte, stockte ihm der Atem: Holyman.

    > Hallo, hallo. Was ist los, kannst du etwa nicht schlafen?

    Er holte tief Luft und tippte:

    > Ich bin gerne lange wach. Und du?
    > Ich bin wohl ein Nachtmensch. Wer hätte das geahnt – noch eine Gemeinsamkeit zwischen uns beiden.
    > Kenne ich dich?
    > Nein, aber ich kenne dich.
    > Was haben wir denn sonst noch gemeinsam?
    > Uns beide fasziniert der Tod.
    > Das ist mir neu.
    > Aber es ist doch so eindeutig.
    > Vielleicht hast du recht.

    Halt ihn hin, dachte Lee. Versuch, ihn aus der Reserve zu locken.

    > Der einzige Unterschied ist, dass ich schon die Macht über Leben und Tod in meinen Händen gehalten habe und du nicht.
    > Ja? Was meinst du damit?
    > Du weißt, was ich meine.
    > Okay.
    > Also, wie läuft’s?
    > Wie läuft was?
    > Die Ermittlungen natürlich. Echt schade um die Katze.

    Vor Wut zog sich Lee der Magen zusammen. Also steckte er hinter Grouchos Tod. Er beschloss, dem Mann darauf nicht auch noch zu antworten.

    > Woher hast du meine Mailadresse?
    > Oh bitte, du musst dir schon schwerere Fragen einfallen lassen. Zum Beispiel, wie ich es geschafft habe, eine Studentin von einem belebten Campus zu entführen.
    > Warum hast du Sophia das angetan?
    > Wenn du ein rechtschaffener Katholik wärst, wüsstest du es.
    > Ich weiß, was du ihnen weggenommen hast. Warum hast du das getan?

    Die Antwort kam nach einer kurzen Pause.

    > Ich bin enttäuscht von dir.
    > Das tut mir leid für dich.
    > Du hast keine Ahnung, wie es sich anfühlt, Macht über das Leben und Sterben einer anderen Person zu haben.
    > Erzähl’s mir.
    > Denkst du, dass dir das ein weiteres Teil zu dem Puzzle

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