Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
habe die Stadt keine Veranlassung. Dass bei der Kirche besondere arbeitsrechtliche Verhältnisse herrschten, sei bekannt. Die CDU/FDP-Mehrheit im Stadtrat sehe keinen Grund, sich einzuschalten.
Zur selben Zeit erscheinen in der Zeitung die ersten Leserbriefe zum Thema. So eine Flut von Zuschriften und Blog-Kommentaren hat es in der Zeitung selten gegeben. »Nur bei Karl-Theodor zu Guttenberg hatten wir schon einmal so viele«, lacht Hansjürgen Melzer.
Die Geschichte von Bernadette Knecht bewegt die Leser: »Sie hat sich aus Sicht des Vorgesetzten nicht an die kirchliche Regel gehalten, ist ein schlechtes Vorbild. Welches Vorbild aber gibt der Pfarrer ab?«, heißt es in einer Zuschrift. »Wem es lebenslang verwehrt ist, das Sakrament der Ehe zu empfangen, mag es schwer nachvollziehen können, wie groß die tägliche Aufgabe ist, das Zusammenleben in Ehe und Familie zu meistern.« Und weiter: »Wieder einmal eine dieser Zumutungen, die wir Noch-Katholiken aushalten sollen.« Eine Leserin aus Königswinter fragt: »Warum darf die katholische Kirche eigenständige Personalentscheidungen für eine Einrichtung treffen, zu deren Finanzierung sie nur einen geringen Teil beiträgt? Wer zahlt, bestimmt die Musik! Warum wird der Kirche hier immer noch so viel Einfluss zugestanden?«
Der, der in Königswinter die Musik bestimmt, heißt Peter Wirtz. Seit 1999 ist der CDU-Mann Bürgermeister der Rheinstadt und damit auch von Rauschendorf. Peter Wirtz ist Anfang fünfzig. Er ist in Königswinter geboren und aufgewachsen. Mit achtzehn Jahren hat er ein Praktikum, dann seine Ausbildung bei der Stadtverwaltung gemacht, und seither arbeitet er dort. Wer ihn auf seinem Weg begleiten will, muss sich beeilen, denn Peter Wirtz läuft in seiner Freizeit Marathon und ist auch sonst schnell unterwegs. Auf der Rathaustreppe nimmt er nur jede zweite Stufe. Erst als er die Tür zu seinem Büro geöffnet, die Sekretärin begrüßt und schließlich an seinem Schreibtisch Platz genommen hat, wird er ruhiger. Hinter ihm an der Wand hängen ein Foto seiner drei erwachsenen Töchter, eine Landkarte der Region und ein Ölbild, Königswinter von der anderen Rheinseite aus gesehen. Mit Petersberg und Drachenfels. Neben der Bürotür befindet sich ein kleines Kreuz. Gleich könne er gerne etwas zum Thema Rauschendorf sagen, nur noch ein Blick in die Postmappe. Ja, die Fragen der Zeitungsleser kämen ihm bekannt vor. Ja, er sei oft angesprochen worden, erzählt er. Warum die Stadt nicht eingreifen könne, habe man ihn gefragt.
Erst vor fünf Jahren hat sich die Stadtverwaltung entschieden, die sechs Kindergartengruppen der katholischen Kirche zu hundertzwei Prozent zu finanzieren. Kam ihm das nicht ungewöhnlich vor, dass die Politik nur zahlen, aber nicht mitreden darf? »Überhaupt nicht«, erwidert Peter Wirtz und die Art, wie er es sagt, lässt keinen Zweifel aufkommen, dass er sich seiner Sache sicher ist. »Überhaupt nicht«, wiederholt er. »Dazu muss man allerdings sagen: Ich bin überzeugter Christ.« Er macht eine kurze Pause, bevor er erklärt: »Das beeinflusst meine Amtsgeschäfte nicht.«
Peter Wirtz ist nicht nur Bürgermeister, er ist auch, genau wie Anwalt Thomas Schulte-Beckhausen, Kirchenvorstand im übergeordneten Gremium, dem Kirchengemeindeverband. Die Region Königswinter hat zwei Gemeindeverbände. Einen oben auf dem Berg, dazu gehören Pfarrer Schiffers und Thomas Schulte-Beckhausen, einen unten im Tal, dazu gehört Peter Wirtz. Mit der Kündigung von Bernadette Knecht hat der Bürgermeister nichts zu tun. Aber käme es im Tal zu einer ähnlichen Konstellation, würde er über die Zukunft der Mitarbeiterin mitentscheiden. Nicht als Bürgermeister, sondern als Kirchenvertreter.
Wieso hat die Kirche damals beschlossen, die Förderung der katholischen Kindergärten zurückzufahren? Im Jahr 2007 kündigte das Bistum Köln an, zahlreiche Einrichtungen in der Diözese zu schließen, darunter zwei in Königswinter. Als Grund nannten die Kirchenvertreter neben den stetig sinkenden Kirchensteuereinnahmen, dass Angebot und Nachfrage nicht mehr zusammenpassten. Das Bistum selbst wies damals die Kommunen darauf hin, dass die Zahl der katholisch getauften Kinder deutlich zurückgehe und mit dem Angebot an kirchlichen Kindergärten schlicht nicht mehr zusammenpasse.
Warum hat die Stadtverwaltung das nicht als Signal gesehen? Warum richtete sie in dieser Situation kein eigenes kommunales Angebot ein, das es bislang in Königswinter
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