Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
nächsten Dorf nur einen weiteren katholischen Kindergarten. »Wo also sollen wir die fünfundvierzig Kinder unterbringen?«, fragen die Eltern. Das Entscheidende aber sei: Sie alle hätten ihr Vertrauen verloren und fühlten sich dem formal vertragstreuen Träger hilflos ausgeliefert. »Die Aussagen der Kirche zeigen ein dem Zeitgeschehen entrücktes Weltbild, mit dem wir uns und viele andere Bürger sich nicht mehr zu identifizieren vermögen. Zudem müssen wir mit diesem Träger um jede unserer Erzieherinnen fürchten, wenn deren Leben einmal eine andere Entwicklung nimmt.«
Sie beklagen, dass es keinen respektvollen Umgang mehr untereinander gebe. »Wenn uns also der Träger nicht trägt und die Elternschaft geschlossen nicht mehr getragen werden will, ist das Vertrauensverhältnis zerstört und keine gemeinsame Basis mehr für eine weitere Zusammenarbeit gegeben. Wir gehen davon aus, dass damit auch die Grundlagen der Stadt Königswinter für die Zusammenarbeit mit diesem Träger weggefallen sind.«
Einhundertneunundneunzig Unterschriften liegen dem Bürgerantrag bei.
Das Problem: Die Grundlage der Zusammenarbeit der Stadt Königswinter mit der Kirche ist ein gültiger Vertrag. Die Kirche ist vertragstreu. Und die Kündigung von Bernadette Knecht rechtens. Nur die Eltern haben ein Problem mit der Kirche, die Vertragspartner untereinander nicht.
Der Bürgerantrag ist eine der wenigen Möglichkeiten, auf dieses Vertragsverhältnis Einfluss zu nehmen. Denn mit ihm kommt das Anliegen der Rauschendorfer Eltern in die offiziellen Gremien. Sollte es im Jugendhilfeausschuss oder im Stadtrat eine Mehrheit für den Antrag der Eltern geben, könnten diese Gremien an die Verwaltung herantreten und sie bitten, etwas in der Sache zu unternehmen.
Nur einen Tag nachdem der Bürgerantrag bei der Stadt eingegangen ist, bekommen die Eltern eine Antwort. Das Thema soll in der nächsten Sitzung des Haupt-, Personal- und Finanzausschusses der Stadt behandelt und dann in den Jugendhilfeausschuss überwiesen werden. In diesem Ausschuss hat die CDU vier Stimmen, die SPD zwei, die FDP, die Grünen und die Königswinterer Wählerinitiative jeweils eine und die Träger der freien Jugendhilfe insgesamt sechs. Unter diesen Trägern befinden sich die Vertreter von Sportvereinen und Elterninitiativen, aber auch die der evangelischen und katholischen Einrichtungen. Und auch sie werden bei einer Abstimmung mitstimmen dürfen.
»Da ging die Lobbyarbeit los«, erzählt Peer Jung lächelnd, »und zwar vor allem, als uns klar wurde, dass die CDU im Jugendhilfeausschuss – anders als im Rat – nicht die Mehrheit hat.« Die Eltern laden die Fraktionsvertreter zu einem weiteren Infoabend in den Kindergarten ein. In ihrer Einladung heißt es: »Nachdem viele Gespräche mit der Kirche als Träger unseres Kindergartens stattgefunden haben, müssen wir uns leider eingestehen, dass auf dieser Seite keine positive Entwicklung mehr zu erwarten ist. Aus diesem Grunde bitten wir Sie dringend um Ihre Unterstützung!« Alle kommen: SPD und Grüne, FDP und CDU, die Linke, die Freien Wähler, die Wählerinitiative. »Der Herr von der CDU hat gleich gesagt, dass er selbst fest bei der Kirche angestellt sei und deshalb nur zuhören, aber nicht mitreden wolle«, berichtet Peer Jung. Das habe man akzeptiert. Auch die anderen Anwesenden seien teilweise betroffen gewesen. »Einige leben selbst in Rauschendorf, andere haben ihre Enkelkinder dort im Kindergarten. Das war interessant zu sehen«, erinnert er sich. »Wir hatten das Gefühl, dass es an diesem Abend nicht um Parteipolitik ging. Zumindest nicht nur. Es ging um ein lokales Problem und darum, unsere lokalen Leute hier zu überzeugen. Bei einigen hatten wir ziemlich schnell den Eindruck, dass sie im Grunde auf unserer Seite sind und eventuell sogar für uns stimmen würden.« Zumindest hätten sich am Ende alle mit dem Versprechen verabschiedet, das Anliegen der Eltern in ihre Fraktionen zu tragen.
»An dem Abend sind wir nach Hause gegangen und haben gedacht: Wahnsinn, wir haben vielleicht wirklich eine kleine Chance.« – »Das, was ich so schön fand«, ergänzt Peer Jungs Frau Canina noch, »war, dass wir endlich auf Menschen gestoßen sind, die uns ernst genommen haben, und dass das, was uns wirklich auf der Seele lag, auf offene Ohren gestoßen ist. Das, was wir vorher versucht hatten, mit den Vertretern der Kirche zu besprechen.« Sie überlegt kurz, bevor sie weiterspricht: »Mir ging es in der
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