Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
staatliche Schulen wahr, haben dieselben Bildungspläne und stehen ebenfalls unter Aufsicht der Schulbehörde. Deshalb werden sie, je nach Bundesland, zu sechzig bis achtzig Prozent öffentlich finanziert. Den Rest kann die Kirche vor allem über ein Schulgeld einnehmen, das die Eltern zahlen. Träger dieser Schulen sind hier allerdings nicht die Kommunen, sondern die Kirchen und ihre Schulstiftungen, aber auch christliche Orden. Konfessionelle Schulen bilden die größte Gruppe unter den Schulen in freier Trägerschaft. Insgesamt gehen in Deutschland siebenundsechzig Prozent aller Privatschüler auf staatlich anerkannte evangelische oder katholische Schulen.
All diese Schulen werden zum Löwenanteil öffentlich, also von der Allgemeinheit, finanziert. Trotzdem arbeitet dort nur getauftes Personal, trotzdem müssen sich die Lehrer an katholischen Schulen an die Loyalitätsrichtlinien der katholischen Grundordnung halten: Gelebte Homosexualität, Wiederheirat, ein uneheliches Kind sind hier mögliche Kündigungsgründe, ganz gleich ob es sich bei der betreffenden Person um einen Religions- oder Mathelehrer handelt.
Ursprünglich waren die Konfessionsschulen ausschließlich christlichen Schülern vorbehalten. Aber weil die Klassen so nicht mehr voll werden, ist das inzwischen anders. Wenn aber die Nachfrage an Plätzen das Angebot übersteigt, können Schüler mit der passenden Konfession bevorzugt werden. Sprich: Wenn es eine hohe Zahl an Anmeldungen gibt, nehmen die Schulen erst die christlichen Kinder auf.
Die Schülerschaft der Liebfrauengrundschule in Emmerich ist gemischt. Nur gut die Hälfte der Kinder ist katholischen Glaubens. Aber alle, die auf die Schule gehen, werden dort katholisch erzogen.
Heribert Feyen geht in sein Büro und sucht nach einem Blatt Papier: »Da!« Er schiebt den Zettel wie ein Beweisstück über den Tisch. »Also, die Eltern müssen unterschreiben, dass es ihr ›ausdrücklicher Wunsch ist, ihr Kind an der katholischen Liebfrauengrundschule unterrichten zu lassen, auch wenn es nicht katholischen Bekenntnisses ist‹.« Der Direktor erläutert, was dieser Satz konkret für seine Schüler heißt. »Mit der Unterschrift stimmt man zu, dass das Kind am religiösen Leben in unserer Schule teilnimmt.«
In der Liebfrauengrundschule werden die Feste des katholischen Kirchenjahres gefeiert. Es gibt jedes Jahr einen Einschulungsgottesdienst und einen Liebfrauentag. Der Gottesdienst alle zwei Wochen ist eine Schulveranstaltung, also Pflicht. In einigen Klassen wird zu Unterrichtsbeginn gebetet und alle Kinder besuchen den katholischen Religionsunterricht, egal, ob sie getauft sind oder nicht oder einer anderen Religion angehören. In Konfessionsschulen ist die Teilnahme am Religionsunterricht verbindlich. Wer nicht kommt, kann von der Schule verwiesen werden. Diese Fälle gibt es. Die offizielle Bezeichnung des Vergehens: »erschlichene Schulaufnahme«.
Im Grundgesetz steht in Artikel 7, Absatz 2: »Die Erziehungsberechtigten haben das Recht, über die Teilnahme des Kindes am Religionsunterricht zu bestimmen.« Das sei auch so, sagt eine Sprecherin des NRW-Bildungsministeriums auf Nachfrage. Man habe ja die Wahl, eine andere Schule der Region zu besuchen. Im Zweifel müsse man nur ein bisschen weiter fahren. Falls der Weg zur nächsten nicht konfessionellen Schule unzumutbar sei, müssten die Eltern den Zettel nicht unterschreiben. Das werde im Einzelfall geklärt. Aber man dürfe sich nicht einfach anmelden und dann nach einem Jahr sagen, dass man doch keinen katholischen Religionsunterricht für sein Kind möchte. Da sei ein Schulverweis möglich. Der Direktor hält den Zettel hoch und schüttelt heftig den Kopf. Er ist selbst katholisch, klar. Aber das alles kann er trotzdem nicht verstehen. »Für meine Begriffe ist das nicht mehr zeitgemäß.«
Während Heribert Feyen das sagt, spielt ein sechsjähriges Mädchen unten auf dem Schulhof Käsekästchen. Sie hüpft von Zahl zu Zahl und vertreibt sich die Zeit, bis ihr großer Bruder schulfrei hat. Die beiden sind die Kinder von Ingrid Hauser. Die Familie wohnt direkt um die Ecke. Auch die Tochter soll zum nächsten Schuljahr auf die Liebfrauengrundschule gehen. Denn das hier ist die nächstgelegene Schule für sie. Ingrid Hauser und ihr Mann gehören zu den fünfzig Prozent nicht katholischen Eltern an dieser Schule. Sie haben ihre Kinder bewusst nicht getauft. Deshalb mussten sie bei der Aufnahme ihres Sohnes die besagte Erklärung
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