Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
der Eltern ab? Die Frage war für mich auch entscheidend. Was ist, wenn Eltern etwa eine nicht kirchliche Einrichtung suchen und die aber nicht finden? Haben wir für alle, auch zum Beispiel für Kinder aus prekären Familienverhältnissen, ein Angebot, das für sie zugänglich ist? Die Kirchen sind es für muslimische Familien wahrscheinlich nicht. Und die Elterninitiativen – bei aller Liebe und Präferenz für das, was da geschieht – haben hohe Ansprüche an Mithilfe, da müssen die Eltern der Kinder viel Arbeit und Zeit investieren. Das ist nicht für jeden was.« Mit einer Bürgerbefragung hätte man damals zum Beispiel herausfinden können, welche Art Einrichtungen man in dieser Stadt braucht, damit sich alle Familien angesprochen fühlen. »Wenn dabei herauskommt, es sollen neunzig Prozent kirchliche Einrichtungen sein, dann sollten wir die schaffen. Aber wenn sich herausstellt, wir brauchen nur zehn Prozent, dann müssten wir uns überlegen, welche Veränderung wir in den bestehenden Einrichtungen vornehmen, damit alle Leute ihre Kinder in den Kindergarten schicken. Dann könnte auch ein kommunales Angebot eine Lösung sein.« Aber das sei nur eine Idee gewesen, so weit sei es gar nicht mehr gekommen.
In der Zeit dieser Überlegungen geht Bernadette Knecht im Kindergarten nicht mehr selbst ans Telefon. Es ist ihr alles zu viel. Längst berichtet die überregionale Presse über ihren Fall. Die Kindergartenleiterin geht zwar weiter jeden Tag zur Arbeit, aber sie weiß weder, ob die Stadtverwaltung in ihrem Sinne entscheiden wird, noch ob ihre Kündigungsschutzklage vor Gericht Erfolg haben wird. Wenn das alles nicht funktioniert, hat sie in vier Monaten keine Arbeit mehr. Den Gütetermin Ende Februar, der innerhalb der ersten Wochen nach Eingehen der Kündigungsklage vor Gericht vorgesehen ist, haben sie und ihr Anwalt Norbert H. Müller im Einvernehmen mit der Gegenseite abgesagt. Es sei klar gewesen, dass es bei dem auf zehn Minuten angesetzten Treffen keine Einigungsmöglichkeit gegeben hätte, erzählt Bernadette Knecht. Außerdem habe sie sich unnötige mediale Aufmerksamkeit ersparen wollen.
Während für sie alles in der Schwebe ist, beschließt Bernadette Knecht zu handeln. Sie geht zu Vorstellungsgesprächen. Einige Kindergärten der Region haben ihr inzwischen konkrete Angebote gemacht. So kommt es, dass Bernadette Knecht im März 2012, noch bevor die zweite, vertagte Sitzung im Jugendhilfeausschuss überhaupt stattgefunden hat, vier Stellenangebote zu Hause liegen hat. Sie muss nur noch unterschreiben.
11.
Mit dem Taxi zum Gymnasium
Die Nebenwirkungen christlicher Schulen
In Emmerich im Kreis Kleve hat sich Schuldirektor Heribert Feyen gerade in einem Klassenzimmer auf einem Hellholz-Schülerstuhl mit grünen Metallbeinen niedergelassen. Auch er hat von Bernadette Knechts Geschichte in der Zeitung gelesen. Und auch bei ihm ist die Lokalpresse schon gewesen. Denn in seiner Schule gibt es ein ähnliches Problem mit einer seiner Kolleginnen: Nina Lockmann schließt gerade das große Kippfenster, auf dem jedes Kind ihrer Klasse einen roten, blauen oder grünen Handabdruck mit seinem Namen hinterlassen hat. Zwei Jahre war sie an dieser Grundschule die Klassenlehrerin der 4a. Jetzt muss sie gehen.
Nina Lockmann ist Anfang dreißig und direkt nach ihrem Referendariat an die Liebfrauenschule gekommen. Die Grundschule ist in der Region bekannt und beliebt, die Schülerzahlen steigen stetig. Im nächsten Jahr werden es an die dreihundert Schüler sein und Nina Lockmann sollte dann statt einer Vertretungs- eine feste Stelle bekommen. Doch dann stellte ihr Direktor fest: Für eine unbefristete Anstellung hat seine Mitarbeiterin nicht die richtige Konfession. Nina Lockmann ist evangelisch und die Liebfrauenschule ist eine katholische Grundschule. Deshalb muss sie nun gehen.
»Wir haben die Stelle allgemein im Internet ausgeschrieben«, erzählt Direktor Feyen und schaut kurz auf. »Dann kam von der Bezirksregierung sofort die Anmerkung zurück, dass nur katholische Christen überhaupt Zugang zu diesen Stellen haben und dass wir die Ausschreibung dementsprechend ändern sollten.« Heribert Feyen spricht klar und präzise, aber man merkt ihm trotzdem an, wie sehr ihn das alles ärgert. »Alle, die nicht katholischen Bekenntnisses sind, können sich hier gar nicht erst bewerben. Die fallen sofort aus dem Bewerberkreis raus. Unabhängig von ihrer Kompetenz, unabhängig von den Ergebnissen, die sie gehabt
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