Gott hat hohe Nebenkosten: Wer wirklich für die Kirchen zahlt
unterschreiben. Nun haben sie das zum zweiten Mal getan, diesmal für die Tochter. Wieder mit ungutem Gefühl.
»Mein Sohn lernt, sich hier zu bekreuzigen«, erzählt Ingrid Hauser, die mit ihrer Tochter wartet. »Oder er kommt auf einmal an Aschermittwoch mit einem Aschekreuz auf der Stirn nach Hause.« Die Mutter ist verärgert. »Es gibt hier so viele Kinder, die nicht katholisch sind. Muss das denn sein? An einer öffentlichen Schule?« Ihre Tochter hat aufgehört zu hüpfen und stellt sich neben ihre Mutter. »Das ist wirklich ein Problem«, sagt Ingrid Hauser und meint damit auch das, was gerade mit der Lehrerin Nina Lockmann passiert ist. »Man will die Kinder in der Schule zu Toleranz erziehen, gegenüber Ausländern, gegenüber anderen Religionen und wenn man dann seinem Kind sagen muss: Die Lehrerin musste gehen, weil sie evangelisch ist. Wie soll ich das meinem Kind erklären?« Das könne man nicht machen. »Wie soll man Kindern da beibringen, tolerant zu sein? Ich finde, das geht in der heutigen Zeit nicht mehr, man kann nicht eine Vorbildfunktion ausüben wollen und dann so etwas tun.« Es wäre etwas anderes, meint sie noch, wenn die katholische Kirche die Schule finanzieren würde. »Aber dass das von unseren Steuergeldern bezahlt wird, ist nicht in Ordnung. Dann muss die Schule auch alle Kinder nehmen. Das macht sie im Moment noch, aber die Anmeldungen steigen und ich muss dann im Zweifel später zu meinem Kind sagen, nein, deine Freundin kann hier nicht hin, die ist nicht getauft!«
Oben in seinem Büro ist Direktor Feyen derselben Meinung. Zwei Monate hat er noch hier an seiner Schule, dann wird er in Rente gehen. Ob er das alles so deutlich kritisieren würde, wenn er noch ein paar Jahre im Dienst wäre, weiß er nicht so genau. Klar ist nur, an diesem Tag will er kein Blatt vor den Mund nehmen.
»Wenn ich sehe, dass hier eine öffentliche Schule ein Forum bietet, wo mit staatlichem Einsatz, mit staatlichem Geld nur Katholiken religiöses Leben ermöglicht wird, denke ich: Das kann nicht sein.« In seinen Augen sei das christliche Missionsarbeit auf Staatskosten. »Das muss man so sehen. Ich hoffe sehr, dass sich das bald ändert, aber dafür ist der politische Bereich zuständig.«
Wer glaubt, Heribert Feyen wolle die Verantwortung abschieben, liegt falsch. Im Januar 2012 hat er versucht, etwas an der Situation in seiner Schule zu ändern. In Nordrhein-Westfalen gibt es die Möglichkeit, Konfessionsschulen in Gemeinschaftsschulen umzuwandeln, wenn genug Eltern ihre Stimme dafür abgeben. Genau das hat Direktor Feyen probiert. »Ich wollte nicht den lieben Gott aus der Schule treiben«, erzählt er. »Ich wollte nur, dass die Minderheiten hier an der Schule besser geschützt sind, dass wir bei den Lehrern einen breiteren Bewerberkreis zulassen können und bei den Schulleitungsposten ebenfalls.«
Auch Ingrid Hauser war mit dabei: Sie organisierte eine Podiumsdiskussion mit Vertretern der Kirche und startete mit anderen Eltern eine Unterschriftenaktion. Die Botschaft war: »Die Hälfte unserer Schüler ist nicht katholisch. Es gibt viele evangelische Kinder. Wir sind längst eine Gemeinschaftsschule. Lasst sie uns offiziell dazu machen. Dann könnten auch die evangelischen Kolleginnen Nina Lockmann und Sarah Lümen bleiben.« Doch als der Tag der Wahl gekommen war, stimmten viel zu wenige Eltern für den Wechsel. Nötig gewesen wären zwei Drittel der Stimmen.
Direktor Heribert Feyen schiebt einen Stapel Bewerbungsmappen beiseite. Er hat eine Vermutung, warum die Aktion in Emmerich nicht erfolgreich war. Anders als etwa in Köln, wo Anfang 2012 drei konfessionelle Grundschulen auf Antrag der Elternschaft umgewandelt wurden. Dort gebe es ein anderes Publikum, vermutet Heribert Feyen. »Ich habe schon in der Schulkonferenz festgestellt, dass man offen Angst vor Veränderungen in unserer Schule hat, davor, dass plötzlich viele Ausländer hier aufgenommen werden könnten. Das war ein starkes Argument. Punkt.« Herbert Feyen schaut kurz auf und ist sich bewusst, was er sagt. Er ist überzeugt: »Es ging den Eltern nicht nur darum, dass die Schule katholisch bleibt, sondern die Schule sollte vom Niveau, vom Stand, vom Ruf so bleiben, wie sie ist. Dass man unter sich bleibt und die Qualität so bleibt, wie sie ist.« Das sei der Punkt gewesen und das sehe man auch daran, wie viele christliche Schulen neu gegründet würden, obwohl die Religiosität abnehme. Den Eltern gehe es eben nicht nur um den
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