Gott im Unglück
Fundament eines Nachbargebäudes stürzte ein, sodass sich das ganze Gebäude gefährlich neigte und wankte.
Keine dieser Manifestationen hatte irgendeine Wirkung auf Janets Gebäude. Und obwohl der Gehweg aufgerissen und zersplittert war, war sich Syph sicher, dass Janet – eingekuschelt in ihr Heiligtum – kaum ein Beben gespürt hatte.
Es würde nicht von Dauer sein. Lucky war ein Gott, und die Neigungen der Götter waren flüchtig. Wenn Lucky sich irgendwann mit ihr langweilte, würde sie verwundbar werden. Natürlich würde Syphs Eifersucht dann sinnlos sein, aber sie würde diese arrogante Sterbliche trotzdem vernichten, wenn dieser Tag kam.
Syph war gerade dabei, sich in eine Taube in der Mauser zu verwandeln und davonzufliegen, als sie etwas spürte, eine Unruhe im metaphysischen Äther. Sie folgte ihr zu ihrer Quelle: einer Frau, die an eine Wohnungstür hämmerte.
»Komm schon, Scott! Ich weiß, dass du zu Hause bist! Ich will nur meinen DVD-Player! Er gehört mir! Du weißt, dass er mir gehört!«
Syph beobachtete die Frau eine Weile, wie sie gegen die Tür trat und eine Flut von Obszönitäten ausstieß. Irgendwann klatschte sie den Kopf gegen die Tür und knurrte.
»Entschuldigung«, sagte Syph, »aber stimmt etwas nicht?«
Die Frau drehte sich um. »Oh, Entschuldigung. Ich wollte keinen Krawall machen. Es ist nur, dass ich vor ein paar Wochen mit diesem Arschloch Schluss gemacht habe. Na ja, er hat mit mir Schluss gemacht …« Sie zuckte mit den Schultern. »Ist auch egal. Das interessiert Sie sicher nicht.«
»Um genau zu sein«, sagte Syph, »interessiert es mich doch. Vielleicht möchtest du mir davon erzählen?«
Die Frau zögerte. »Ich weiß nicht. Ich bin mir sicher, Sie meinen es gut, aber ich brauche eigentlich keine …«
»Dir wurde Unrecht getan.«
»Es ist nur ein DVD -Player«, sagte die Frau.
»Nein, ist es nicht. Es ist die Art, wie er dich benutzt hat, die Art, wie er dich weggeworfen hat, als er fertig war, die Lügen, all die verschwendete Zeit, die Hunderte von kleinen Zugeständnissen, die du gemacht hast, damit es funktionierte, die am Ende aber nicht das Geringste änderten, außer dass sie dir das Leben schwer gemacht haben.« Syph schluckte ihre eigene Wut hinunter und zwang sich zu einem Lächeln. »Es ist nie nur ein DVD -Player, oder?«
»Nein, wohl nicht.«
»Ich spüre eine Liebende in dir, der Unrecht zugefügt wurde, eine Seele, die göttliche Hilfe braucht. Und ich biete unverbindlich meine Dienste an. Einfach als Gefallen einer geschundenen Seele für eine andere. Ich bin die Göttin des Herzeleids und der Tragik. Aber nenn mich doch einfach Syph.«
»Ich bin Christine.«
Sie setzten sich auf die Treppenstufen, und Christine erzählte ihre Geschichte. Die nicht neu war. Sie hatte einen Kerl getroffen, war eine Weile mit ihm ausgegangen. Dann hatte er Schluss gemacht. Syph wusste, an Christines misslungener Romanze war nichts Tragisches oder Bemerkenswertes. Das hielt die Göttin aber nicht davon ab, Mitgefühl zu empfinden.
»Das war’s«, sagte Christine. »Es war keine große Sache. Wir hatten nicht vor zu heiraten oder so. Es war nicht einmal besonders ernst. Ich will nur meinen DVD -Player zurück. Ist das zu viel verlangt?«
»Nein, ist es nicht.«
Syph näherte sich der Wohnungstür.
»Es ist abgeschlossen«, sagte Christine.
»Kein irdisches Schloss kann den gerechten Zorn der geschmähten Geliebten aufhalten.«
Syph hätte die Tür aus den Angeln sprengen oder verdampfen lassen können oder etwas ähnlich Dramatisches. Aber sie wählte den subtilen Weg und drehte den Knauf. Die Tür öffnete sich.
Scott saß auf der Couch und sah fern. Er blickte auf, Kartoffelchipskrümel in den Mundwinkeln. Bevor er etwas sagen konnte, gebot ihm Syph mit einer Handbewegung zu schweigen.
»Törichter Sterblicher!«, brüllte sie so laut, dass die Wände zitterten. »Du hast dieser Frau unrecht getan, und ich komme, um Gerechtigkeit zu üben, in ihrem Namen und im Namen aller verschmähten Liebenden der Welt! Mach dich bereit, in die Tiefen der endlosen Verzweiflung geworfen zu werden, wo unermessliches Grauen dich zerreißen und bis über das Ende der Zeiten hinaus an deinen Genitalien knabbern wird!«
Syph fühlte sich gestärkt, energiegeladen. Dies war ihre Aufgabe. Mit einer Geste öffnete sie einen Riss im Raum-Zeit-Kontinuum. Das Portal glühte hellgrün und überzog alles in der Wohnung mit einem lindgrünen Schimmer.
»Und jetzt …«
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