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Gott im Unglück

Gott im Unglück

Titel: Gott im Unglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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sich also auf andere Anzeichen und Omen verlassen.
    Sechs seiner Aktien waren schwer eingebrochen. Über ein Dutzend Leute hatten wegen fehlerhafter Heftklammern aus seinen koreanischen Fabriken Finger verloren. Eine seiner Immobilien war bis auf die Grundmauern niedergebrannt, und knapp über hundert Menschen waren dabei umgekommen. Die Todesfälle und Verstümmelungen bedeuteten ihm nichts, außer dass er ein paar außergerichtliche Vergleiche schließen musste. Die Vorfälle schlugen sich in seinen Finanzberichten kaum als ein Schluckauf nieder. Wenn er die Sache nicht prüfte, würden diese Omen allerdings seinen Ruin einläuten.
    Worthington schnappte sich ein Sixpack Old Milwaukee und eine Tüte Salzbrezeln und machte sich auf den Weg ins Kellerheiligtum seines mürrischen Gottes. Das helle Geflacker von Leave It to Beaver erleuchtete seine dunkle Höhle. Er wandte den Blick nicht vom Fernseher ab, als Worthington die Treppen herunterkam. Der hielt den Kopf gesenkt, als er sich mit seinen Opfergaben näherte.
    »O glorreicher Herrscher, der in der ewigen Dunkelheit wohnt, vom Tod bist du emporgestiegen und der Tod soll dein Geschenk an diese Welt sein. Dein ergebener Diener …«
    Gorgoz riss ihm das Bier und die Brezeln aus der Hand. Er steckte sich eine Dose zwischen die mit sehr vielen Zähnen bewehrten Kiefer, riss den oberen Teil ab und schüttete sich das Bier in den Rachen. Trotz der Größe seines Mundes schaffte er es, sich das meiste davon über den Morgenmantel zu schütten.
    »Sind sie tot?«, fragte er.
    »Leider nicht, Herr.«
    Gorgoz knurrte.
    »Bin ich nicht ein großzügiger Wohltäter, Worthington?«
    »Ja, Herr.«
    »Und habe ich dich nicht mit dem Wohlstand und der Macht ausgestattet, auf die ihr jämmerlichen Sterblichen so versessen seid?«
    »Ja, Herr.«
    »Und ich verlange nichts als absoluten Gehorsam. Dennoch bist du mir jetzt ungehorsam.«
    »Ich war nicht ungehorsam.«
    »Du hast mich enttäuscht.«
    »Nein, Herr. Das war nicht ich, sondern die anderen Jünger, die …«
    »Ich brauche keine Ausreden für verpfuschte Arbeit. Als meistbegünstigter meiner Anhänger ist ihr Versagen dein Versagen, wenn du mich fragst.«
    Gorgoz schlitzte die Tüte mit der langen Kralle an seinem Zeigefinger auf. Er griff sich eine Handvoll Salzbrezeln und warf sie sich in den Mund. Sein sonderbar geformter Mund und die Zähne versprühten Krumen und klebrigen Speichel, während er verfügte: »Bring den Unfähigen vor mich, damit ich ihn für seine Untauglichkeit verschlingen kann!«
    »Er ist leider schon tot.«
    Gorgoz’ hervorquellende Augen wurden schmal. »Enttäuschend. War es ein schmerzvoller Tod?«
    »Ganz gewiss, Herr«, antwortete Worthington eilig, obwohl er keine Einzelheiten kannte. Seine Stellung als Erster Jünger unter Gorgoz’ Anhängern gab ihm die Kontrolle über ein Netzwerk skrupelloser Individuen, die bereit waren zu tun, was immer nötig schien, um Macht zu gewinnen. Auch die illegale Anbetung verlorener Götter. Dennoch war nicht einmal er sich sicher, wie weit sein Einfluss reichte, denn Gorgoz’ Anhänger waren ein verschwiegener Haufen. Er legte Wert darauf, nur so viel zu wissen, wie er musste.
    Er stand in direktem Kontakt mit nur einer Handvoll anderer der Gemeinschaft. Und sie wiederum genauso. Anordnungen waren unter Gorgoz’ Anhängern wie etwas Lebendiges, hinausgeschickt in die Welt, um sich selbst durchzuführen, weil die Jünger um seine Gunst konkurrierten. Es war nicht das effektivste System der Welt und konnte zu Verrat und internen Machtkämpfen innerhalb der Gemeinschaft führen. Aber das waren notwendige Übel, wenn man Anhänger eines Chaosgottes war.
    »Mir scheint, es ist vielleicht einfacher, wenn ich aufstehe und diese Sterblichen selbst umbringe.« Gorgoz lächelte finster. »Könnte gut für mich sein, mal hier rauszukommen, die Ärmel hochzukrempeln und ein bisschen persönlich zu strafen. Ist eigentlich schon viel zu lange hier. Ich sollte wirklich in Übung bleiben.«
    Worthington gefiel das gar nicht. Er hatte es gern, wenn Gorgoz im Keller herumlümmelte. Der dunkle Gott war zu chaotisch, als dass man ihn ohne Überwachung herumrennen lassen sollte. Sonst konnten alle möglichen Probleme auftauchen.
    Worthington fiel vor Gorgoz auf die Knie. »Ich bitte dich um Vergebung. Gib mir noch eine Chance! Erlaube mir, diese törichten Sterblichen zu schlachten und meine Hingabe zu beweisen. Ich bin nicht würdig, mich in deiner fürchterlichen Aura

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