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Gott im Unglück

Gott im Unglück

Titel: Gott im Unglück Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: A. Lee Martinez
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eigentliche Symbolismus daran sein mochte. Das Unterbewusstsein sah von außen nach überhaupt nichts aus. Erst unter der Oberfläche geschah das Interessante.
    Es gab keinen Wächter. Lediglich ein Seil aus Samt mit einem Schild daran, das Besucher warnte, sich nur mit großer Umsicht hineinzuwagen. Das kollektive Unterbewusstsein der Menschheit war ein gewundenes Labyrinth aus Fluren. Sterbliche glaubten, ihre Träume seien einzigartig, doch das kollektive Unterbewusstsein hatte ein zentrales Büro für Rollenbesetzungen. Und eine Riesenspinne oder Amazonen-Weltraumprinzessin war so gut wie jede andere. Die versammelten Hirngespinste und Phobien der Menschheit durchstreiften das Labyrinth.
    »Hi, Morpheus«, sagte ein fünfköpfiges Schwiegermuttermonster.
    »Hi, Vera«, antwortete der Gott der Träume.
    Ohne Reiseführer war es schwierig, sich in diesem Labyrinth zurechtzufinden. Nicht gefährlich, aber verwirrend. Es konnte Stunden dauern, bis man den richtigen Bühnenraum fand. Die Türen waren beschriftet, allerdings nicht leserlich. Auf manchen standen Initialen. Auf anderen waren Gesichter abgebildet. Und auf einigen kryptische Symbole oder Piktogramme. Sie kamen an einer Tür mit der Höhlenzeichnung eines Mannes vorbei, der in einem Zylinder mit einer Wüstenrennmaus kämpfte.
    Morpheus führte sie die Flure entlang. Lucky und Quick versuchten nicht einmal, sich den Weg zu merken. Er hätte sich geändert, wenn sie versucht hätten, ihn zurückzuverfolgen. Selbst Götter konnten sich im Reich der Träume verirren.
    Sie hielten vor einer Tür mit der Aufschrift GERALD an.
    »Das ist es?«, fragte Lucky.
    »Das ist es.«
    »Aber der Kerl, den wir suchen, heißt Rick.«
    Morpheus erwiderte: »Sage ich dir, wie man Gewinner-Lotteriescheine findet?«
    »Na gut«, gab Lucky zu, als der Gott der Träume die Tür öffnete.
    Sie betraten den Bühnenraum von Ricks Träumen. Requisiten lagen überall am Set herum, das gerade mitten im Bau war. Das Ensemble der Darsteller saß herum und wartete. Träume zu konstruieren war eine komplizierte Angelegenheit, und mindestens die Hälfte der Besetzung würde schon wieder weggefahren worden sein, bevor der sterbliche Architekt einschlief. Was dem Träumer durch den Kopf ging, bewusst oder unbewusst, würde die Show prägen. Deshalb waren sterbliche Träume so verwirrend. Es lag nicht daran, dass das Unterbewusstsein transzendente Mysterien enthüllte oder der träumende Geist keinen zusammenhängenden Gedanken fassen konnte. Nein, es lag schlicht und einfach daran, dass es die zentrale Casting- und Requisitenabteilung nicht schaffte, mit den Änderungen in letzter Minute Schritt zu halten.
    »Hey, Rita«, sagte Morpheus zu einem Vegas-Showgirl.
    Sie nickte ihm zu und zog an einer Zigarette, während eine Garderobenassistentin sie aus einem Kunstleder-Catsuit schälte und in einen Liebestöter steckte.
    »Erkennst du diesen Typ?«, fragte Quick und deutete auf einen schlacksigen Schauspieler, der in ein voluminöses braunes Gewand gehüllt war. Seine fleckigen Arme waren lang und schuppig. Er war das genaue Ebenbild von Gorgoz, bis auf das pausbäckige Gesicht. Dort malte eine Make-up-Assistentin gerade erst die Flecken auf.
    »Das muss der Ort sein«, sagte Lucky. »Scheiße, glaubst du, er sieht immer noch so aus?«
    »Er hat sich immer langsam verändert«, sagte Quick.
    »Ja, kein Wunder, dass er in den Untergrund gehen musste.« Lucky gluckste. »Das hat vielleicht die Bauerntölpel bei Anbruch der Zeiten beeindruckt, aber ab und zu muss man auch mal nachrüsten.«
    Sie fanden den Regisseur dieser sterblichen Traumlandschaft in einer dunklen Ecke sitzend, wo auf einem kleinen Fernseher sein Wachleben lief. Konzentriert starrte er auf den kleinen Schwarz-weiß-Bildschirm und mühte sich ab, den Ton zu hören.
    »Entschuldigung«, sagte Lucky.
    Der Regisseur blickte auf und legte den Finger an die Lippen.
    »Tut uns leid, wenn wir stören, aber …«
    Der Regisseur wiederholte die Geste, diesmal gefolgt von einem lauten Psst-Geräusch.
    Lucky stellte sich zwischen den Regisseur und seinen Fernseher. »Es dauert nur ein paar Minuten.«
    »Dürfen Sie überhaupt hier sein? Wo ist Ihre Erlaubnis?«
    Morpheus wedelte mit einem Ausweis. Der Regisseur kontrollierte ihn doppelt, dann zuckte er die Achseln. »Okay. Von mir aus. Ich kann diese Show sowieso nie richtig sehen. Ich weiß die Hälfte der Zeit nicht, was zum Henker der Kerl tut.«
    »Wir haben ein paar Fragen über

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