Gott ist tot
Army und bewaffnet mit einem Ryder-Truck voll antipsychotischer Medikamente sowie dem brutalen, aber wirkungsvollen Therapieplan der Regierung, lagen Laura und der Sohn, dessen Geburt sie mit dem Leben bezahlt hatte, zusammengekrümmt auf dem Küchenfußboden und warteten darauf, dass ich sie begrub.
Mrs. DerSimonian ist meine letzte Patientin für heute. Als sie weg ist, kritzele ich noch ein bisschen in ihrer Akte herum, sperre dann mein Büro ab und trete ins Freie. Auf dem Kofferraumdeckel meines Celica sitzt Jeff Pauquette. Die Ärmel seines unvermeidlichen Flanellhemds sind hochgekrempelt
und geben den Blick auf haarige, muskulöse Unterarme frei. Unter dem Schirm seiner Teague-Tractor-Supply-Baseballmütze hervor schaut er finster zu mir herüber.
»Na, heut ham die sich aber ausgetobt, die da!«, ruft er mir quer über den Parkplatz entgegen.
Das ist unser kleines Spiel. Jeden Tag, während ich meine Sprechstunde abhalte, macht Jeff mein Auto kaputt. Dann tut er so, als wäre es jemand anders gewesen, und ich tue so, als wüsste ich nicht, dass er es war. Am größten ist der Schaden für gewöhnlich am Mittwoch, nach unserem wöchentlichen Pflichttermin, aber sein heutiges Zerstörungswerk macht ihm so schnell keiner nach. Der rechte Hinterreifen ist nur noch ein Haufen Fetzen, rund um die ganze Felge aufgeschlitzt. Jeff hat sich außerdem die Mühe gemacht, ein Verkehrsschild aus seiner Verankerung zu reißen und damit die Scheibe auf der Fahrerseite einzuschlagen. Das Schild spießt aus dem Fenster, als ich näher komme, und befiehlt mir: STOP.
Ich stelle meine Aktentasche auf den Boden und hieve das Schild heraus. »Heute müssen sie ja eine Stinkwut gehabt haben«, sage ich zu Jeff.
»Müssen sie wohl«, stimmt er mir zu.
»Ich frag mich ja, warum«, sage ich. »Ich frage mich, was ich heute verbrochen habe, um sie so wütend zu machen. Darf ich kurz? Ich muss den Ersatzreifen rausholen.«
Jeff lässt sich Zeit beim Aufstehen. »Vielleicht hätt ich da ja ein paar Theorien dazu«, sagt er. »Vielleicht könnt ich Ihnen ja ein bisschen auf die Sprünge helfen. Bloß denk ich eben den ganzen Tag drüber nach, was für miese Versager meine beiden Jungs sind, so, wie Sie’s mir angeschafft haben.«
Ich hole Wagenheber, Kreuzschlüssel und Ersatzreifen aus dem Kofferraum. »Sie sind keine miesen Versager, Jeff. Einfach nur normal. Durchschnittlich.«
Was streng genommen nicht stimmt. Abe, der Jüngere, könnte es mit seinem hammerharten Wurf mit nahezu jedem Baseballprofi aufnehmen. Er ist außerdem ein ungewöhnlich weichherziger Junge. Er weint bei der Fernsehwerbung und zeigt keine der rücksichtslosen Anwandlungen gegenüber Fröschen und Käfern, die bei anderen Heranwachsenden gang und gäbe sind. Aber er hat eine Hasenscharte, also rücke ich bei den Sitzungen mit seinem Vater die in den Vordergrund.
Jeff schaut mir beim Arbeiten zu. »Wissen Sie«, sagt er nach einer Weile, »dieses Problem mit Ihrem Wagen gerät irgendwie außer Kontrolle. Sie sollten zur Polizei gehen, Sie.«
Ich ziehe die letzte Mutter fest und schaue zu ihm hoch. »Wir wissen doch beide, dass die Polizei nichts unternehmen wird, Jeff. Da hassen sie mich doch auch. Die hassen mich ganz genauso wie Sie.«
Zum ersten Mal lächelt Jeff. »Nein«, sagt er. »So wie ich Sie hasse, so hasst Sie hier in der Gegend sonst keiner.«
»Seien Sie sich da nicht so sicher«, sage ich. »Ich habe Reggie Boucher letzte Woche hinter Gitter gebracht, weil er zwei Sitzungen hintereinander verpasst hat. Könnte also sein, dass Sie den ersten Platz vorübergehend an ihn abtreten müssen.« Ich packe das Werkzeug zurück in den Kofferraum und schlage den Deckel zu. »Gibt es sonst noch was, Jeff? Möchten Sie über irgendwas reden?«
»Nein, das wär’s«, sagt er. »Ich muss schauen, dass ich heimkomme. Diesen beiden undankbaren Schmarotzersöhnen Essen kochen.«
»Schönen Abend noch«, sage ich. Aber ich weiß, dass er noch nicht abziehen wird, und so ist es. Er setzt sich in seinen Pickup und wartet, während ich die Glasscherben aus meinem Auto klaube und den Motor anlasse. Dann bleibt er
den ganzen Nachhauseweg hinter mir, fährt dicht auf und drückt dabei wild auf die Hupe. Als ich meine Einfahrt erreiche und zum Tor hineinfahre, tritt er aufs Gas und zieht mit aufheulendem Motor an mir vorbei.
Ich parke im Einfahrtsrondell und inspiziere als Erstes die Garage. Die drei Meter hohe Grundstücksmauer überklettert keiner,
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