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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald F Currie
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ratlos auf seinen Hinterkopf gestarrt habe, setze ich mich an meinen Schreibtisch und stelle den Wecker auf fünfzig Minuten.
    »Sieht so aus, als hätten die Ihr Auto heute so weit in Frieden gelassen«, sagt Jeff. Er lächelt immer noch.
    »Ach ja?« Ich versuche unbeteiligt zu klingen. »Wenn Sie eine Prognose abgeben müssten, würden Sie dann sagen, es besteht eine Chance, dass sie es noch ein bisschen länger in Frieden lassen?«
    Darüber muss Jeff erst mal ausführlich nachgrübeln. Er legt den Kopf in den Nacken und reibt sich gedankenvoll das Kinn. »Doch«, sagt er dann. »Die haben richtig gute Laune heute, da passiert Ihrem Auto nichts.«
    »Na, das ist ja eine erfreuliche Nachricht«, sage ich.
    »Wer weiß.« Er fixiert mich, und sein Lächeln wird noch breiter. Einen Augenblick lang bin ich überzeugt, dass mein Leben gleich enden wird, jäh und in höchstem Maße blutig; Jeff ist endgültig übergeschnappt und spaltet mir den Schädel mit dem offiziellen BUKK-Briefbeschwerer, der Statuette eines lachenden Kindes, auf deren Sockel die Worte NICHTS BESONDERES eingraviert sind. Ich wende den Blick ab, fröstelnd. Als ich wieder hinsehe, fixiert er mich unverändert, nach wie vor mit diesem Lächeln, aber ich lese nichts Aggressives in seinen Augen. Nein, sein Gesichtsausdruck ist eher der eines Pokerspielers, der auf drei Assen sitzt.

    Ich räuspere mich und schiebe die Papiere auf meinem Tisch hin und her. »Na, dann wollen wir mal anfangen, Jeff«, sage ich. »Ich habe für heute ein bisschen negative Verstärkung vorgesehen, wenn Sie sich also obenrum freimachen würden, damit ich die Elektroden ansetzen kann …«
    »Klaro.« Er knöpft sein Flanellhemd auf und zieht es aus. Auf seiner Brust sind noch vier haarlose Stellen von unserer letzten NV-Sitzung. Als ich mit den Elektroden hinter dem Schreibtisch hervorkomme, nimmt Jeff sie mir aus der Hand und legt sie sich selber an.
    »Alles startklar, hier«, sagt er, wobei er die Haftflächen mit den Fingerspitzen glattdrückt. Dann sieht er auf und lächelt noch ein bisschen.
    Ich setze mich wieder hin und schalte den Apparat ein. »Fertig?«
    »Schießen Sie los«, sagt er.
    Ich zeige Jeff ein Bild von seinem Sohn Abe.
    »Muttersöhnchen. Übersensibel. Miserabler Angler. Schafft es nicht mal, einen gottverdammten Wurm auf einen Haken zu spießen. Ein Weichei, das ist er.«
    »Gut«, sage ich. Meine Hand liegt, gierig und zitternd, auf dem Kippschalter. »Weiter.«
    »Hässlich. Zahnlückig. Ungleich große Augen. Und diese Hasenscharte, auf der Sie immer so rumreiten. Läuft mir kalt den Rücken runter, wenn ich bloß hinschaue. Sieht wie ein fetter nackter Kater aus, der Bub.«
    Und so geht es weiter. Ich überziehe die übliche halbe Stunde um zehn Minuten, an deren Ende alles, aber auch alles abgedeckt ist - Abe, Jeffs älterer Sohn Corey, Negativeindrücke von Kindern ganz allgemein. Jeff muss nur einmal zur Ordnung gerufen werden, als er Abe dafür kritisiert, dass er zu wenig auf die Meinung seiner Klassenkameraden
gibt. Ich halte den Schalter etwas länger gedrückt als die vorgeschriebenen zwei Sekunden, um dann einzuräumen, dass das zwar an eine Fangfrage grenzt, aber was Kinder denken, ist so gänzlich irrelevant, dass nicht mal andere Kinder etwas drauf geben sollten.
    Ich bin zugegebenermaßen etwas enttäuscht, dass er mir keine weitere Gelegenheit gibt, ihn zur Ordnung zu rufen.
    »Nicht schlecht, oder?«, sagt er, als ich die Elektroden wieder an mich nehme und ihm sein Hemd zurückgebe. »Hab mich doch gut geschlagen, stimmt’s?«
    »Für diese Woche hätten wir’s, Jeff«, sage ich. »Sie finden ja allein raus.«
    »Ich denke, doch«, sagt er und steht auf.
    »Und Sie sind sicher, dass sie mein Auto vorerst in Frieden lassen, ja?«
    »Dem Auto passiert nichts«, sagt er. »Diese Typen, die Ihren Wagen in die Mangel nehmen, die sind heute richtig gut drauf.«
    Und ich, der dicke, dumme Fisch, beiße endlich an. »Warum, Jeff?«, frage ich. »Woher kommt diese blendende Laune so plötzlich?«
    Er bleibt an der Tür stehen. »Da hätte ich eine Gegenfrage für Sie«, sagt er. »Wie viel von der fetten Kohle, die Sie scheffeln, wenn Sie unsre Kinder runtermachen, mussten Sie für diesen Tunnel blechen?«
    Wir starren einander an. Meine Kinnlade ist nach unten geklappt, und irgendwie kriege ich sie nicht wieder hoch.
    »Bis dann, Boss«, sagt Jeff, und lächelnd zieht er die Tür hinter sich zu.
     
    Selia ruft mich völlig aufgelöst

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