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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald F Currie
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sein, das war auch so etwas, das mich an euch Menschen nach einer Weile angewidert hat. Diese Art, sich vor mir in den Staub zu werfen, manchmal buchstäblich, mit gefalteten Händen und hunderterlei Beschwörungen auf den Lippen, aber noch öfter im übertragenen Sinne, so wie jetzt du: ›Mein kleiner Verstand kann sich nie und nimmer mit dem Deinen messen‹ et cetera - bis zum Erbrechen. Man sollte Wissen nie mit Intelligenz
verwechseln. Ist eine Enzyklopädie schlauer als du? Oder ein Computer?
     
    F? Natürlich nicht. Wieso bist du dir also so sicher, dass ich es bin? Etwa weil ich, ohne dabei gewesen zu sein, weiß, was Indiens Premierminister Dr. Manmohan Singh gestern zu Abend gegessen hat? Denn das weiß ich. Er hat einen leicht übersäuerten Magen, deshalb gab es für ihn ungewürzten Reis mit Linsen, von dem er nur eine winzige Portion aufgegessen hat. So. Kannst du das akzeptieren und trotzdem mein Freund sein? Nicht mein Jünger, nicht mein Verkündiger, sondern mein Freund?
     
    F? Doch. Doch, es kränkt mich. Für jemanden, der von klein auf die Umgangsformen der Hunde gewohnt war, ist die Bereitwilligkeit, mit der die Menschen buckeln - unaufgefordert und ohne echten Beweis dafür, dass solche Demut und Anbetung am Platz sind -, mehr als abstoßend. Besonders wenn sich, wie mir inzwischen klar ist, hinter dieser Demut eine Gier und ein Anspruchsdenken verbergen, die bei deiner Spezies nahezu allgegenwärtig sind. Heuchelei ohne Grenzen. Kein Wunder, dass so viele von euch Menschen so unglücklich sind.
    Also, langer Rede kurzer Sinn: Du bist intelligenter als der durchschnittliche Springbock. Reicht das?
     
    F? Ja, vielleicht wäre es klüger, das Thema zu wechseln.
     
    F? Selbstverständlich bin ich bereit, darüber zu sprechen. Immerhin hast du dich halb umgebracht für das zweifelhafte Privileg, meine Geschichte zu hören. Wo soll ich anfangen?

     
    F? Ich glaube fast, ich beginne besser ein Stück vor dem Anfang, denn vielleicht interessiert es dich ja, dass ich und ein anderer Hund dem Schöpfer ein paar Tage vor dessen Tod schon einmal begegnet sind. Ein seltsamer Zufall, rückblickend betrachtet. Details weiß ich nicht viele - meine Erinnerung an mein Leben vor der Verwandlung ist sehr unscharf, mehr ein allgemeiner Eindruck von Wahrnehmen und Erleben als Erinnerung in dem Sinn, in dem ich sie seither kennengelernt habe.
    Es muss um die gleiche Jahreszeit wie jetzt gewesen sein. Das weiß ich sicher, weil die Tage glühend heiß waren. Hunde sind nicht übermäßig intelligent, aber sie sind Meister darin, Nahrung aufzuspüren, und wir hatten von unseren Müttern gelernt - die es wiederum von ihren Müttern gelernt hatten et cetera -, uns an die umherstreifenden Trupps der Dschandschawid-Milizen zu halten, in deren Kielwasser es immer reichlich zu fressen gab. Sie töteten alles in einem Dorf, und wenn sie weiterzogen, um sich neue Opfer zu suchen, kamen wir und räumten hinter ihnen auf. Ein sauberes Geben und Nehmen, bis auf die wenigen Male, wenn einer oder zwei von uns unseren Sicherheitsabstand zu den Dschandschawid einzuhalten vergaßen und ihnen vor die Füße liefen. Bei meiner ersten Begegnung mit dem Schöpfer geschah genau das. Mein Bruder und ich witterten den Geruch der Verzweiflung und waren unbesonnen genug, ihm zu folgen - stromerten vor den Dschandschawid her, bis wir eine junge Frau fanden, die ganz allein halb ohnmächtig im hohen Gras lag. Damals wusste ich natürlich nicht, dass das der Schöpfer in Gestalt einer Dinka-Frau war. Ich sah nur, dass hier leichte Beute winkte. Wir zogen vorsichtige Kreise um sie, um zu testen, wie viel sie mitbekam und ob sie sich wehren würde. Sie trat nicht nach uns, schlug nicht um sich, schrie nicht,
gar nichts, und wir setzten eben zum Sprung an, als wir die Dschandschawid herandonnern hörten. Wir sahen zu, dass wir wegkamen. Das war unsere einzige Überlebenschance. Schneller als sie ist keiner, und du kannst mir glauben, was immer ihnen in die Quere kommt, stirbt.
     
    F? Nun ja, mein Bruder und ich kehrten zum Rudel zurück und beschlossen, soweit Hunde zu Beschlüssen in der Lage sind, dass wir lieber hungrig und am Leben sein wollten als satt und tot. Die Dschandschawid waren auf dem Kriegspfad, also wussten wir, dass unsere Geduld sich auszahlen würde. Zwei Tage später folgten wir dem Geruch von verbranntem Fleisch zu den Trümmern des Flüchtlingslagers. Und da kosteten wir fünf, die berühmten Fünf, von unserem

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