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Gott ist tot

Titel: Gott ist tot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ronald F Currie
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Lou«, sagt eine Stimme.
    Hinter dem Fliegengitter ist ein Frauengesicht erschienen. Mein Vater schaut zu mir herüber; er denkt, ich hätte etwas gesagt. Ich zeige auf die Frau.
    »Er heißt Lou«, sagt sie noch einmal, zu meinem Vater.
    »Was?«, fragt mein Vater.
    »Lou!«, wiederholt sie fast schreiend.
    »He, Lou«, sagt mein Vater. Er nimmt Lous Handgelenk zwischen die Finger und fühlt ihm den Puls, den Blick auf seinen Sekundenzeiger gerichtet. »Kennen Sie ihn?«, fragt er die Frau.
    Sie lächelt bitter. »So kann man es auch nennen«, sagt sie. »Ins Haus kommt er mir jedenfalls nicht.«
    »Hat er irgendwelche gesundheitlichen Probleme? Diabetes oder so was?«
    »Besoffen ist er«, sagt die Frau.
    Mein Vater legt Lous Hand auf den Boden zurück und lockert ihm den Hemdkragen, damit er Luft bekommt. Lou fängt zu schnarchen an. Er klingt wie eine gereizte Klapperschlange.
    Ich stehe da, rubble mir den Schmutz im Nacken zu Klümpchen zusammen und starre auf Lou hinunter, mit meinen Gedanken beschäftigt.
    »Sie sollten die Polizei rufen«, sagt mein Vater zu der Frau.
    »Er ist nur betrunken«, sagt sie.
    »Was?«

    Sie wiederholt ihren Satz, lauter.
    »Rufen Sie trotzdem bei der Polizei an«, sagt mein Vater. »Die sollen einen Krankenwagen herschicken. Es ist besser, sie bringen ihn ins Krankenhaus. Er darf nicht noch länger in dieser Hitze liegen.«
    Die Frau bleibt noch ein paar Sekunden am Fenster stehen, dann verschwindet sie in der Dunkelheit des Hauses. Nach einer Weile kommt sie zurück.
    »Sie sind unterwegs«, sagt sie.
    Mein Vater beobachtet Lou und hört sie nicht.
    »Gut«, sage ich zu der Frau.
    »Ich mache das Fenster jetzt zu.«
    »Wir bleiben bei ihm, bis sie da sind«, sage ich. Sie schließt das Fenster, wirft noch einen Blick auf Lou und ist verschwunden.
     
    Mein Vater und ich stemmen die Hände in die Hüften und blinzeln ins Sonnenlicht. Ich stoße die Fußspitze gegen Grasbüschel, lasse den Blick schweifen, überallhin, nur nicht zu Lou. Mein Vater bückt sich und überprüft noch einmal seinen Puls.
    Dann sagt mein Vater: »Da weiß man doch wieder, warum man aufgehört hat, oder?« Er sieht mich nicht an dabei.
    Eine Zeitlang bleibe ich stumm. Dann sage ich: »Ich trinke seit einem Jahr wieder.«
    Er hebt der Kopf. »Hm?«, sagt er.
    »Ich habe gesagt: ›Das ist echt kein Leben so.‹« Ich spreche betont deutlich, damit er mich versteht.
     
    Es dauert, aber schließlich kommt ein Polizist angefahren. Er ist klein und dick und hat einen Bürstenschnitt. Er kennt Lou, nennt ihn aber Preacher.

    »Einer von Ihren üblichen Verdächtigen?«, fragt mein Vater.
    »O ja«, sagt der Cop. »Wir haben heute schon nach ihm gesucht.« Er und mein Vater lachen wissend. Ich lache nicht mit, sondern verziehe nur kurz den Mund. Die anderen beiden haben sich rechts und links von Lou hingekauert, Kollegen unter sich.
    »Mir gefällt sein Atem nicht«, sagt der Cop.
    »Ach, atmen tut er gar nicht so schlecht«, sagt mein Vater. »Sein Puls geht ein bisschen schwach.«
    Der Cop schaut eine Weile zu meinem Vater hinüber, dann streckt er die Hand aus und zwickt Lou durch das Hemd in die Brustwarze. »Los jetzt, Preacher. Aufwachen.« Aber Lou rührt sich nicht.
    »Haben Sie einen Krankenwagen bestellt?«, fragt mein Vater.
    »Hab ich. Ab jetzt komm ich schon allein klar.«
    »Ist gut«, sagt mein Vater. Er richtet sich auf, reckt sich ein bisschen. »Wir müssen dann auch mal wieder ran.«
    Wir gehen zum Pickup zurück, und der Cop sagt: »Danke für eure Hilfe, Jungs.«
    Ich kehre ihm den Rücken, und es reißt mich fast ein bisschen, als er es sagt. Es klingt komisch: Jungs , zu uns allen beiden, wo ich doch kein Wort von mir gegeben habe, nieman-dem eine Hilfe war.
    Mein Vater schaut über die Schulter zurück und hebt die Hand. Ich gehe einfach nur weiter, ohne mich umzusehen.
    Plötzlich muss ich an dich denken, seit langem zum ersten Mal, scheint es mir. Ich sehe dich mit wütender Gebärde die Flaschen vom Couchtisch fegen. Ich höre deine Stimme, die hinter verschlossener Tür schreit, dass es keinen Gott gibt, warum kann ich das nicht einfach hinnehmen wie alle anderen
auch? Vor meinem inneren Auge weinst du, so bitterlich und so lange, dass deine Augen zuschwellen. Wo magst du wohl sein?, frage ich mich. Mit wem bist du zusammen? Zuckst du, sooft er die Hand bewegt, so wie bei mir?

Interview mit dem letzten Überlebenden der Wildhunde, die vom Leichnam Gottes gekostet hatten
    Und er

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