Gott oder Zufall?
können Medikamente, welche die Hirntätigkeit verändern, solche Erfahrungen umfassend hervorrufen – insbesondere Ketamin, ein Narkosemittel, das die NMDA -Rezeptoren für den Botenstoff Glutamat blockiert. Auch als Rauschdroge missbraucht, kann Ketamin den Eindruck hervorrufen, über dem eigenen Körper zu schweben, einen Tunnel zu durchfliegen, das Leben an sich vorüberziehen zu sehen oder telepathisch mit Lichtwesen zu kommunizieren.
Wie müssen wir solche Fakten deuten? Für eine beachtlich große Gemeinde an »Gläubigen« sind NTE ein unwiderlegbarer Beweis für eine bewusste Seele, die ihren Körper verlassen, auf Wanderschaft Dinge erleben und in ihn zurückkehren kann. Sie verweisen auf zahlreiche Berichte, wonach Menschen, die nach einer NTE »ins Leben zurückkehrten«, Dinge beschrieben, die sie auf natürliche Weise nicht hätten erfahren können, darunter häufig Begegnungen in der anderen Welt mit Freunden oder Angehörigen, von denen sie nicht gewusst hatten, dass sie gestorben waren. Oder sie sahen in der Schwebe an der Decke Dinge, die sie unter natürlichen Umständen gar nicht hätten sehen können. Ein typisches Beispiel ist eine Frau, die in eine tiefe Hypothermie (Temperatur unter 16 °C) versetzt worden war, damit ihr ein Aneurysma an der Basilararterie im unteren Bereich des Gehirns herausoperiert werden konnte. Nach dem Eingriff berichtete sie von dem Gefühl, aus dem Körper zu »schießen« und über dem Operationstisch zu schweben. Sie beschrieb bemerkenswert detailgetreu – und den Tatsachen entsprechend – Vorgänge während des Eingriffs. So schilderte sie, dass der Chirurg mit einem Gerät, ähnlich einer elektrischen Zahnbürste, in ihren Schädel hineingesägt habe; außerdem konnte sie sich an Äußerungen der Schwestern im OP und zahlreiche weitere Einzelheiten erinnern. Berichte wie diese gibt es viele.
Andererseits überzeugen derlei Hinweise nicht jedermann: Manchmal stimmen in solchen Berichten vielleicht die Details nicht, oder der nur scheinbar bewusstlose Patient nimmt seine Umwelt doch wahr, oder seine Schilderungen decken sich rein zufällig mit den Tatsachen. Da 5 bis 15 Prozent der Weltbevölkerung behaupten, sie hätten schon einmal eine Nahtoderfahrung gemacht, würde es nicht überraschen, wenn manche solcher Beschreibungen nur rein zufällig zugetroffen hätten.
Skeptiker führen ins Feld, dass die Fähigkeit, NTE durch Drogen oder Gehirnreizungen auszulösen, für eine naturalistische Deutung spräche. Dass viele Aspekte des Phänomens durch chemische Substanzen hervorgerufen werden können, macht es zumindest denkbar, dass auch Störereignisse wie eine Ischämie im Gehirn NTE auslösen können. Dafür muss keine körperlose Seele angenommen werden. Doch als wichtigster Punkt, der für die dualistische Deutung spricht, sind Menschen nach einer NTE offenbar in der Lage, von Tatsachen zu berichten, die sie auf natürliche Art eigentlich nicht wahrgenommen haben können. Dieser entscheidende Punkt wird durch die Ergebnisse neurobiologischer Untersuchungen allerdings nicht gestützt.
Eine verwandte Frage dreht sich darum, ob die künstliche Intelligenz Licht in die Frage Monismus versus Dualismus bringen kann.
Schlussfolgerung
Die Neurowissenschaft bietet für die These einer unabhängigen, nichtphysischen Seele, die mit dem Gehirn zusammenwirkt, keinerlei Fundament. Ob Nahtoderfahrungen spannenderweise auf so eine Seele hindeuten, ist ziemlich fragwürdig. Erdrückend viele Fakten sprechen dafür, dass menschliches Verhalten, Intentionalität und sogar Spiritualität auf der Tätigkeit eines Gehirns beruhen. Auch wenn nicht auszuschließen ist, dass bestimmte wichtige Abläufe, wie etwa das Treffen ethischer Entscheidungen, von einer nicht physikalischen Seele beeinflusst sein könnten, gibt es dafür keinerlei wissenschaftlichen Beweis. Zudem ist unbekannt, auf welchem Weg eine unabhängige Seele das Gehirn beeinflussen könnte. Die gegenwärtigen neurowissenschaftlichen Fakten sind zweifelsfrei leichter mit der monistischen Zwei-Seiten-Lehre als mit dem interaktiven Dualismus zu vereinbaren.
Künstliche Intelligenz und die Seele
Kann Technik eines Tages ein Gerät hervorbringen, das über ein Bewusstsein verfügt, eine Maschine, die zu Recht als Person gilt? Manche Forscher auf dem Gebiet der künstlichen Intelligenz ( KI ) halten dies für möglich: Sie vertreten den Standpunkt der sogenannten »starken KI « oder »künstlichen allgemeinen
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