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Gott oder Zufall?

Gott oder Zufall?

Titel: Gott oder Zufall? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: R. J. Berry
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dieses »Ich« nach unserem Tod im Himmel weiterhin existiert und nach wie vor bewusst Erfahrungen macht. Die moderne Neurobiologie kann sich nur mit der ersten Anschauung befassen.
    Christen schließen sich tendenziell einer von zwei bedeutenden Anschauungen zur Seele oder zum Geist an. Die beiden Begriffe überschneiden sich, werden aber nicht immer gleich gebraucht.
     
    1. Der
interaktive Dualismus:
René Descartes stellte sich die Seele oder den Geist als ein immaterielles »Ich« vor, das vom Gehirn unabhängig war und irgendwie mit ihm zusammenwirkte, um willentliches Verhalten zu erzeugen. Dieser
Substanzdualismus
besteht in der Auffassung, wonach wir aus zwei fundamental verschiedenen Substanzen (im philosophischen Sinn) geschaffen seien. Von den zahlreichen Varianten dieses Dualismus ist der
interaktive
(oder cartesianische), den Descartes selbst vertrat, am bekanntesten.
    2. Die
Zwei-Seiten-Lehre:
Nach dieser Anschauung ist die Seele in die Hirnfunktion eingebettet. Die Seele (oder der Geist) wirkt nicht auf das Gehirn ein, vielmehr sind Seele bzw. Geist und Gehirn sich ergänzende Aspekte von ein und derselben Wesenheit, der menschlichen Person. Unsere innere subjektive Erfahrung (Seele/​Geist) und die objektive wissenschaftliche Sicht des Gehirns sind zwei verschiedene Ansichten derselben Entität, des Menschen.
    Griechische und christliche Konzepte der Seele
    Das in unserer Gesellschaft verbreitete dualistische Konzept der Seele stammt eigentlich nicht aus der Bibel, sondern von Sokrates und Platon.
    Bedeutet der Tod nicht, dass der Körper, getrennt von der Seele, für sich allein existiert und dass die Seele, getrennt vom Körper, für sich existiert?
    Sokrates in Platons Phaidon
    Die griechische Vorstellung von der unsterblichen Seele wurde von Philosophen (Neuplatonikern) entwickelt, die Platons Gedanken weiterspannen. In der abendländischen Gesellschaft schlug sie daraufhin tiefe Wurzeln. In den ersten Jahrhunderten der Kirche kombinierten sie zahlreiche Philosophen und Theologen, darunter Origenes und Augustinus, mit ihrem Verständnis der Bibel. Und daraufhin übernahmen sie Theologen von Thomas von Aquin bis hin zu Luther und Calvin. Demgegenüber stimmen die meisten modernen Gelehrten darin überein, dass sich die biblische Vorstellung vom Menschen von diesem Konzept deutlich unterscheidet.
     
    Der australische Neurophysiologe und Nobelpreisträger John Eccles (1903–1997) vertrat den Leib-Seele-Dualismus.  ©  © Lebrecht/​Horst Tappe
     
    Der Begriff »Seele« im Alten Testament lautet im Urtext zumeist
Nephesch,
ein Wort, das in der Grundbedeutung schlicht »Leben« oder »Lebenskraft« bedeutet, verbunden mit der Konnotation von »Bewegung«. Sehr häufig (754-mal) auftauchend, hat er in der Bibel ein riesiges Bedeutungsspektrum, das von »Persönlichkeit« bis zu »Blut« reicht. Als Gott in Genesis 2 dem Menschen den Lebensatem einhaucht, wird dieser ein »lebendiges Wesen« (Einheitsübersetzung, Luther, Züricher) oder eine »lebende Seele« (Ebersfelder) – eben ein Nephesch. Das heißt, dass er lebendig wurde und sich bewegte, so wie Tiere, die ebenfalls als Nephesch bezeichnet werden können. Das mit »Geist« übersetzte Wort
(Ruah)
im Alten Testament beinhaltet die Grundvorstellung von bewegter Luft. Obwohl es in vielen Fällen einfach und zutreffend mit »Wind« übersetzt wird, bezieht es sich mitunter auch auf den »Lebensatem«, den die gesamte Tierwelt mit dem Menschen gemein hat (Gen 6,17). Wo mit »Geist« übersetzt, drückt es gewöhnlich die Lebenskraft des Geistigen im Sinn der gesamten Persönlichkeit aus (Ps 32,2; 78,8) oder bezieht sich auf menschliche Neigungen und Begierden (z.B. Hos 4,12).
    Weder
Nephesch
noch
Ruah
verweisen irgendwie auf einen Dualismus. Zwar werden beide gelegentlich so beschrieben, dass sie beim Tod aus dem Menschen ausziehen, wobei sie aber nie unabhängig vom Körper existieren. Das Alte Testament stellt den Menschen als eine Einheit dar. Anhand einer Analyse ist die Bedeutung der Wörter im Neuen Testament schwerer zu ermitteln: Dessen Originalmanuskripte sind in Griechisch überliefert, wobei in den Entsprechungen der Begriffe Obertöne aus der griechischen Philosophie mitschwingen – mit einem starken Einfluss dualistischer Anschauungen. Gleichwohl betonen die Verfasser dieser Schriften die Einheit der menschlichen Person – ohne die Vorstellung einer entleibten Seele. So reicht das Bedeutungsspektrum von »Psyche«, der

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