Gott oder Zufall?
ausfragt«. Doch Wilberforce war nun auch nicht ganz repräsentativ für christliche Reaktionen. Einer der ersten, der sich zu Darwin bekehrte, war der anglikanische Pfarrer Charles Kingsley, der in dem Schöpfungsmodell durch Naturgesetze ein edleres Verständnis des Werkes des Schöpfers erkannte. Am Tag nach dem Austausch zwischen Wilberforce und Huxley hielt der künftige Erzbischof von Oxford, Frederick Temple, eine Predigt, in der er die Erweiterung der wissenschaftlichen Erkenntnis eindeutig begrüßte und damit dem »Lückenbüßergott« den Rücken kehrte.
Was die Debatte selbst angeht, so war diese weit entfernt davon, ein Sieg für Huxley zu sein, und mindestens einer, der sich zunächst zu Darwins Theorie bekehrt hatte – der Naturalist Henry Baker Tristram – schwenkte wieder um, indem er feindlich auf den Darwinschen Angriff reagierte. Wesentliche Auswirkungen hatte das Ganze nicht, als das anfängliche Interesse der Öffentlichkeit erst einmal abflaute. Es dauerte fast dreißig Jahre, bevor das Ereignis für das Buch
Leben und Briefe von Charles Darwin
(von Joseph Hooker) aufbereitet und sanktioniert wurde. Die wenigen Leser, die sich in diesen dreißig Jahren darauf bezogen, kamen von Geistlichen, die sich von Wilberforces entschiedenem Urteilsspruch distanzierten. Huxley setzte jedoch seinen nichtkonformistischen Angriff auf das anglikanische Establishment weiter fort und kämpfte mit harten Bandagen, als er die Kosmologie attackierte, wie er sie in der Schöpfungsgeschichte auffand. Huxley meinte aber nicht, dass Darwins Theorie mit dem Theismus unvereinbar sei. Er zog sogar eine »weitere« Teleologie in Betracht, die eingeschrieben in die Voraussetzungen eines sich entwickelnden Universums sei. Doch Darwins Theorie war – wie es nun mal in der Wissenschaft ist – weder christlich noch antichristlich, sondern achristlich. Sie hatte auch nicht mehr mit dem Theismus zu tun wie die Schriften des Euklid. Entscheidend war, dass Huxley zwischen Wissenschaft und Religion einen unvermeidbaren Konflikt nicht mehr sah, wenn beide genau bestimmt und verstanden würden. Er schrieb: »Der Antagonismus zwischen Wissenschaft und Religion, von dem man so oft hört, scheint mir völlig künstlich zu sein. Er wird geschaffen einerseits von kurzsichtigen religiösen Menschen, die Theologie mit Religion verwechseln, und andererseits von ebenso kurzsichtigen Wissenschaftlern, die vergessen, dass die Wissenschaft sich nur mit den Dingen beschäftigt, die dem klaren intellektuellen Verständnis zugänglich sind.«
Die Grundlagen der Werte
Werte gehen entweder von der Welt und der Menschheit aus, wenn sie von den Menschen geschaffen wurden; oder sie sind von Gott geoffenbart. Die traditionelle Lehre vom Naturrecht besagt, dass Falsch und Richtig Bestandteil der natürlichen Welt und der menschlichen Natur sind, denn viele Dinge, die wir als böse ansehen, wie Naturkatastrophen, Überschwemmungen und Hungersnöte, gehören zu dieser Welt dazu. Die Menschen sind nicht insgesamt gut, sondern eine Mischung aus Gut und Böse in Gedanken und Werken. Das bedeutet aber nicht, dass keine allgemeinen Naturgesetze existieren, die Hinweise auf den Zweck eines Gedeihens des Menschen und seiner Schädigung geben.
Die Wissenschaft befindet sich nicht in einem luftleeren Raum. Wertsysteme formen unser Herangehen an die Wissenschaft und ihr Ausüben ebenso wie die Anwendungen, die wir mit den aus der Wissenschaft gezogenen Erkenntnissen entwickeln. Was wir studieren, wie und warum wir die verschiedenen Wissenschaften studieren und was wir mit den Ergebnissen aus Wissenschaft und Technik machen, ist alles Bestandteil unseres Wertesystems und unseres Weltbildes. Diese müssen formuliert, verteidigt und gelebt werden.
Philosophen wie Hume vertreten die Auffassung, die Moral sei ein Gegenstand des Gefühls und menschengemacht; sie sei völlig subjektiv. Sie behaupten, dass wir es sind, die entscheiden, was richtig und was falsch sei, gut oder böse, und dass wir moralische Werte Dingen und Tieren zuwiesen; dass Werte subjektiven moralischen Vorlieben entsprächen – egal, ob sich ein
Emotivist
(der glaubt, dass Werte der Ausdruck von Emotionen sind und diese fördern) sich für sie entscheide, ein
Relativist
(der glaubt, dass es keine absoluten Werte gibt, sondern dass die Moral von unseren jeweiligen Lebensumständen abhängt), ein
Existentialist
(der glaubt, dass die Moral eine Sache des Willens und der Entscheidung ist) oder
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